Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Adam Dalgliesh 14: Ein makelloser Tod

Adam Dalgliesh 14: Ein makelloser Tod

Titel: Adam Dalgliesh 14: Ein makelloser Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. D. James
Vom Netzwerk:
Widerspruchslos kehrte sie mit Benton ins Manor zurück. Als die
Tore von der Wache aufgeschlossen wurden, sagte Benton: »Mrs. Rayner
scheint ja sehr nett zu sein.«
    »Ach, sie ist in Ordnung. Ich hätte mich ja früher bei ihr
gemeldet, wenn ihr mich nicht beobachtet hättet wie die Katz eine Maus.
Sie sucht jetzt was für mich, ich bin also bald weg hier. Lassen Sie
Stephen aber in der Zwischenzeit lieber in Ruhe. Hätte ich ihn doch
bloß nie an diesen verfluchten Ort geholt.«
    Im Vernehmungszimmer zog sich Mrs. Rayner die Jacke an und
nahm ihre Tasche. »Es ist wirklich zu dumm, dass das hier passiert
ist«, sagte sie. »Sharon hat sich in der Geriatrie gut gemacht, aber es
war verständlich, dass sie mit jüngeren Leuten arbeiten wollte. Doch
die alten Leute haben sie gemocht. Ich kann mir gut vorstellen, dass
sie sie ein bisschen verwöhnt haben. Jedenfalls ist es Zeit, dass sie
eine anständige Ausbildung macht und etwas findet, das ihr eine Zukunft
eröffnet. Ich denke, dass ich ihr relativ kurzfristig einen Platz für
ein paar Wochen besorgen kann, wo sie gut aufgehoben ist, bis wir dann
den nächsten Schritt tun können. Außerdem braucht sie vielleicht
psychiatrische Hilfe. Vor der Geschichte mit Stephen Collinsby scheint
sie die Augen zu verschließen. Aber wenn Sie mich fragen, ob sie Rhoda
Gradwyn getötet hat – was Sie natürlich nicht tun –,
dann würde ich antworten, dass ich es für extrem unwahrscheinlich
halte. Für unmöglich, würde ich am liebsten sagen, aber das Wort soll
man ja besser vermeiden.«
    »Die Tatsache, dass sie hier ist, bei ihrer Vorgeschichte,
kompliziert die Sache«, gab Dalgliesh zu bedenken.
    »Durchaus verständlich. Solange Sie kein Geständnis bekommen,
wird es nur schwer zu rechtfertigen sein, jemand anderen zu verhaften.
Aber wie bei den meisten Mördern war ihre Tat ein Einzelfall.«
    »Sie hat in ihrem kurzen Leben schon verdammt viel Schaden
angerichtet«, sagte Kate. »Ein Kind wurde erschlagen, Karriere und
Zukunft eines anständigen Menschen sind in großer Gefahr. Es fällt
nicht leicht, sie anzusehen, ohne dass einem automatisch dieses
zertrümmerte Gesicht in den Sinn kommt.«
    »Kinder können eine enorme Wut entwickeln«, erklärte Mrs.
Rayner. »Wenn ein außer Kontrolle geratenes vierjähriges Kind eine
Waffe hätte und die Kraft, sie zu benutzen, wären viele Familien nicht
mehr vollzählig.«
    »Lucy muss ein bezauberndes kleines Mädchen gewesen sein«,
sagte Dalgliesh.
    »Für andere vielleicht. Nicht für Sharon.«
    Innerhalb weniger Minuten war sie bereit zur Abfahrt, und Kate
brachte sie nach Wareham zum Bahnhof. Während der Fahrt redeten sie
über Dorset und die schöne Landschaft, durch die sie fuhren. Weder Mrs.
Rayner noch Kate brachten die Sprache noch einmal auf Sharon. Kate
hielt es für ein Gebot der Höflichkeit, mit Mrs. Rayner auf die Ankunft
des Zuges zu warten. Erst als sie sich dem Bahnsteig näherten, äußerte
sich ihre Begleiterin.
    Sie sagte: »Machen Sie sich keine Gedanken wegen Stephen
Collinsby. Man wird sich um Sharon kümmern und ihr die Hilfe geben, die
sie braucht. Sie wird ihm keinen Schaden zufügen.«

6
    C andace Westhall betrat das Empfangszimmer
der Alten Wache in Jacke und Schal und mit Gartenhandschuhen an den
Händen. Sie setzte sich, zog die unförmigen und mit Erde verkrusteten
Handschuhe aus und warf sie wie eine allegorische Herausforderung
zwischen sich und Dalgliesh auf den Tisch. Eine etwas plumpe, aber
unmissverständliche Geste. Wieder einmal holte man sie von einer
wichtigen Arbeit weg, um ihr unwichtige Fragen zu stellen.
    Ihre Feindseligkeit war offenkundig. Dalgliesh wusste, dass
die meisten seiner Verdächtigen genauso empfanden, auch wenn sie es
weniger offen zeigten. Davon ging er jedenfalls aus, und bis zu einem
gewissen Grad verstand er es auch. Zunächst wurden er und sein Team
immer voller Erleichterung empfangen. Dann wurde gehandelt, der Fall
wurde aufgeklärt, das ganze Entsetzen, das für die meisten Beteiligten
eine Peinlichkeit darstellte, legte sich, die Unschuldigen kamen zu
ihrem Recht, der Schuldige – zumeist ein Fremder, dessen
Schicksal niemandem nahe ging – wurde festgenommen, und die
Behörden kümmerten sich um ihn. Gesetz, Vernunft und Ordnung traten an
die Stelle der vergiftenden Anarchie, die durch den Mord entstanden
war. Aber noch hatte es keine Verhaftung gegeben, und in nächster Zeit
stand auch keine zu erwarten. Sie befanden sich erst ganz am Anfang,
aber

Weitere Kostenlose Bücher