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Adam Dalgliesh 14: Ein makelloser Tod

Adam Dalgliesh 14: Ein makelloser Tod

Titel: Adam Dalgliesh 14: Ein makelloser Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. D. James
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da war, nur noch dunkle Teiche, in
denen sich nichts als ihre eigene Verzweiflung spiegelte.
    Sie wollte schreien, aber sie bekam keine Luft, fand keine
Stimme. Sie zerrte an den Knoten, mit denen sie gefesselt war, doch
ihre Hände waren kraftlos.
    Kaum noch bei Bewusstsein, ließ sie sich in die Fessel fallen
und wartete auf den Tod: Mary Keytes Tod. Aber dann hörte sie etwas, es
klang wie ein lautes Schluchzen, gefolgt von einem Schrei. Es konnte
nicht ihre Stimme sein; sie hatte keine. Plötzlich flog der
Petroleumkanister Richtung Hecke und zog einen Feuerbogen hinter sich
her. Die Hecke ging in Flammen auf.
    Jetzt war sie allein. Halb ohnmächtig zerrte sie an der Leine
um ihren Hals, aber sie hatte nicht mehr die Kraft, um die Arme zu
heben. Die Menschenmenge war verschwunden. Das Feuer brannte herunter.
Sie sackte zusammen, ihre Beine gaben nach, und dann wusste sie nichts
mehr.
    Doch da hörte sie Stimmen, grelle Taschenlampen blendeten sie.
Jemand kam über die Steinmauer, rannte auf sie zu, sprang über das
herunterbrennende Feuer. Jemand nahm sie in die Arme, es waren
Männerarme, und sie vernahm seine Stimme.
    »Es ist alles gut. Sie sind in Sicherheit. Hören Sie mich,
Sharon? Sie sind in Sicherheit.«

5
    N och bevor sie beim Steinkreis angelangt
waren, hatten sie das Auto wegfahren hören. Es hätte keinen Sinn
gehabt, sofort überstürzt hinterherzufahren. Sharon hatte oberste
Priorität. Dalgliesh wies Kate an: »Kümmern Sie sich hier um alles, ja?
Nehmen Sie Sharons Aussage auf, sobald Chandler-Powell sie für
vernehmungsfähig erklärt. Benton und ich fahren Miss Westhall nach.«
    Die vier Wachleute, vom Feuer alarmiert, widmeten sich der
lodernden Hecke. Sie war feucht vom letzten Regen, und rasch waren nur
noch verkohlte Zweige und beißender Rauch zu sehen. Tiefhängende Wolken
zogen vorbei am Mond, und die Nacht wurde schaurig-schön. Die Steine
glänzten in demsilbernen, unwirklichen Licht wie
gespenstische Grabmäler, und die Gestalten, von denen Dalgliesh wusste,
dass es Helena, Lettie und die Bostocks waren, wurden zu Schemen, die
in der Dunkelheit verschwanden. Chandler-Powell, der in seinem
Morgenmantel beinahe priesterlich wirkte, trug Sharon über die Mauer
und verschwand mit Flavia an seiner Seite ebenfalls in der Lindenallee.
Dalgliesh spürte, dass noch jemand da war. Marcus Westhalls Gesicht,
plötzlich vom Mond beschienen, wirkte jetzt wie ein körperloses,
schwebendes Bild, das Gesicht eines Toten.
    Dalgliesh ging auf ihn zu. »Wo kann sie hingefahren sein?
Sagen Sie es uns. Niemand hat etwas davon, wenn sich die Suche
verzögert.«
    Marcus klang heiser. »Sie ist sicher ans Meer gefahren. Sie
liebt das Meer. Es gibt eine Stelle, wo sie gerne schwimmen geht.
Kimmeridge Bay.«
    Benton hatte sich rasch eine Hose angezogen und kämpfte sich
in einen dicken Pullover, während er auf das Feuer zulief. Dalgliesh
rief ihm zu: »Haben Sie Candace Westhalls Autokennzeichen noch im Kopf?«
    »Ja, Sir.«
    »Dann rufen Sie das örtliche Verkehrsdezernat an. Die sollen
gleich mit der Fahndung beginnen. Richten Sie aus, dass sie es in
Kimmeridge versuchen sollen. Wir nehmen den Jaguar.«
    »In Ordnung, Sir.« Benton war bereits losgerannt.
    Marcus hatte seine Stimme wiedergefunden. Unbeholfen wie ein
alter Mann stolperte er hinter Dalgliesh her und krächzte heiser: »Ich
komme mit. Warten Sie auf mich! Warten Sie doch!«
    »Das hat keinen Sinn. Wir finden sie sowieso.«
    »Ich muss mit. Ich muss dabei sein, wenn Sie sie finden.«
    Dalgliesh verschwendete keine Zeit mit Diskussionen. Marcus
Westhall hatte das Recht mitzufahren, und er konnte ihnen sogar
nützlich sein, indem er ihnen den richtigen Strandabschnitt zeigte.
»Dann holen Sie sich eine warme Jacke. Und beeilen Sie sich«, sagte er.
    Sein Auto war das schnellste, aber darauf kam es jetzt nicht
an, auf der kurvenreichen Landstraße konnte man sowieso nicht Vollgas
geben. Womöglich erreichten sie das Meer nicht rechtzeitig, bevor sie
in den Tod ging, falls sie vorhatte, ins Wasser zu gehen. Es ließ sich
unmöglich sagen, ob ihr Bruder die Wahrheit erzählte, aber in
Anbetracht seiner gequälten Miene hielt Dalgliesh es für
wahrscheinlich. Benton brauchte nur wenige Minuten, um den Jaguar von
der Alten Wache zu holen. Er wartete bereits, als Dalgliesh und
Westhall die Straße erreichten. Wortlos öffnete er die hintere Tür, um
Westhall einsteigen zu lassen, und folgte ihm auf die Rückbank. Dieser
Fahrgast war zu unberechenbar,

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