Adam Dalgliesh 14: Ein makelloser Tod
gemacht, ihre Produkte in
Chandler-Powell-Schachteln auszuliefern, viele Geschenke wollten nur in
einer Schachtel mit dem unverwechselbaren C-P-Kolophonium verpackt
werden. Herbert entdeckte und förderte junge Designer, und einige der
Schachteln, in begrenzter Auflage herausgegeben, brachten es zu
begehrten Sammlerobjekten. Sein Unternehmen brauchte keine Werbung
außer den Produkten, die es herstellte. Mit fünfundsechzig –
George war zehn Jahre alt – verkaufte er die Firma an seinen
härtesten Konkurrenten und setzte sich mit den verdienten Millionen zur
Ruhe. Er finanzierte Georges teure Schulausbildung und das Studium in
Oxford und verlangte als Gegenleistung nicht viel mehr als die
Gesellschaft des Enkels während der Schul- und Semesterferien und
später bei drei oder vier Besuchen im Jahr, eine Bedingung, die für
George nie eine Belastung war. Wenn sie zusammen wanderten oder über
Land fuhren, lauschte er der Stimme des Großvaters, die ihm Geschichten
aus einer trostlosen Kindheit, von Studienjahren in Oxford und
kommerziellen Triumphen erzählte. Bevor George nach Oxford ging, war
sein Großvater mehr in die Einzelheiten gegangen. Die Erinnerung an die
Stimme des Großvaters tönte kräftig und Respekt gebietend durch die
bebende Schönheit der Violinen.
»Ich bin von der Oberschule dorthin gekommen, ausgestattet mit
einem staatlichen Stipendium. Du kannst dir das vielleicht nicht
vorstellen. Ich weiß nicht, wie das heute ist, aber sicher nicht viel
anders. Man hat sich nicht über mich lustig gemacht oder mich verachtet
oder mir das Gefühl gegeben, anders zu sein – ich war ganz einfach anders. Ich hatte nie das Gefühl, dorthin zu
gehören – und ich gehörte dort auch nicht hin. Vom ersten Tag
an hab ich gewusst, dass ich nicht das Recht hatte, dort zu sein, dass
etwas in der Luft der Collegehöfe mich zurückwies. Natürlich war ich
nicht der Einzige, dem es so ging. Dort waren Jungen, die nicht einmal
vom Gymnasium kamen, sondern von noch schlechter beleumundeten Public
Schools, die sie lieber nicht beim Namen nennen wollten. Ich konnte es
ihnen ansehen: Sie wollten um jeden Preis Zutritt zu den goldenen
Kreisen der privilegierten Oberschicht. Ich hab sie mir vorgestellt,
wie sie sich mit Intelligenz und Talent in die akademischen
Dinnerpartys in Boars Hill drängen, auf den Landwochenenden wie die
Narren bei Hofe ihre zu Herzen gehenden Verse, ihren Witz und ihre
Klugheit zu Markte tragen, sich den Zugang erkaufen. Ich hatte keine
solchen Talente außer meinem Verstand. Ich habe die ganze Bagage
verachtet, aber ich wusste, wovor sie Respekt hatten, alle. Vor Geld,
mein Junge, darauf kam es an. Bildung war wichtig, aber Bildung mit
Geld war besser. Also habe ich Geld verdient. Und es wird irgendwann
dir gehören, das, was noch übrig ist, nachdem ein gieriger Staat sich
bedient hat. Du musst es klug zu nutzen wissen.«
Herberts liebstes Steckenpferd war es, stattliche, der
Öffentlichkeit zugängliche Herrensitze zu besuchen, auf sorgsam
geplanten, weitläufigen Umwegen dorthin zu fahren, aufrecht hinter dem
Lenkrad seines blitzenden Rolls-Royce sitzend wie ein General der
viktorianischen Armee – von dem er durchaus etwas hatte.
Erhaben waren sie über Landstraßen und wenig benutzte Nebenstraßen
gerollt, und der Enkel hatte dem Großvater aus dem Reiseführer
vorgelesen. George hatte sich immer darüber gewundert, dass ein Mann,
der so viel für die Eleganz der georgianischen Zeit und die Solidität
der Tudor-Stils übrig hatte, in einem Penthouse in Bournemouth lebte,
auch wenn es einen atemberaubenden Meerblick bot.
Mit der Zeit verstand er es immer besser. Je älter sein
Großvater wurde, desto einfacher richtete er sich sein Leben ein. Jeden
Tag kamen eine gutbezahlte Köchin, eine Haushälterin und eine Putzfrau
zu ihm, verrichteten still und effektiv ihre Arbeiten und gingen
wieder. Sein Mobiliar war teuer, aber spärlich. Er musste die Dinge,
für die er sich begeisterte, nicht kaufen. Er konnte bewundern, ohne
besitzen zu wollen. Von sich selbst wusste George seit langem, dass er
besitzen wollte.
Und so hatte er schon bei ihrem ersten Besuch auf Cheverell
Manor gewusst, dass er dieses Haus einmal besitzen wollte. Es stand im
milden Licht eines frühen Herbsttages vor ihnen, die Schatten wurden
schon länger, die sinkende Sonne tauchte Bäume, Rasenflächen und Steine
in intensivere Farben, das Haus, die Gärten, das große schmiedeeiserne
Tor – das alles erlebte er
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