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Adam Dalgliesh 14: Ein makelloser Tod

Adam Dalgliesh 14: Ein makelloser Tod

Titel: Adam Dalgliesh 14: Ein makelloser Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. D. James
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Herausforderungen, die in den nächsten Tagen auf ihn
warteten, eine lebendige Vorstellung von Emmas Wochenende machen und
sicher sein konnte, dass es ihr gutging.

2
    D ie Wohnung am Nordufer der Themse,
flussabwärts kurz hinter Wapping, war für Detective Inspector Kate
Miskin die einzige Manifestation des Erreichten, die, in Stahl, Stein,
Glas und Holz verdichtet, zumindest etwas Beständigkeit versprach. Sie
hatte mit dem Bewusstsein von der Wohnung Besitz ergriffen, dass sie
eigentlich zu teuer war, und die ersten Jahre der Abzahlung des Kredits
hatten Opfer gefordert, die sie bereitwillig gebracht hatte. Das
Hochgefühl bei ihrem ersten Rundgang durch die von Licht erfüllten
Räume, beim Aufwachen und Einschlafen zum wechselnden, aber nie
erlahmenden Pulsschlag der Themse, war ihr nicht wieder
verlorengegangen. Sie bewohnte die Eckwohnung im obersten Stockwerk mit
zwei Balkonen, die weite Ausblicke über den Fluss und das
gegenüberliegende Ufer boten. Wenn das Wetter nicht zu scheußlich war,
stand sie dort manchmal schweigend und dachte über die wechselnden
Stimmungen des Flusses nach, die mystischen Kräfte von T. S.
Eliots braunem Gott, die Turbulenzen der hereindrückenden Flut, das
blassblau glitzernde Band unter einem heißen Sommerhimmel, die
klebrig-schwarze, von Lichtern perforierte Haut nach Einbruch der
Dunkelheit. Auf heimkommende Schiffe wartete sie wie auf gute alte
Bekannte: die Barkassen der Londoner Hafenbehörde und der Flusspolizei,
die Schlepper, die schwerbeladenen Binnenschiffe, im Sommer die
Vergnügungsdampfer und Kreuzfahrtschiffe und – am
spektakulärsten von allen – die Segelschulschiffe, die mit
erhabener Langsamkeit flussaufwärts glitten, unter den aufgestellten
Flügeln der Tower Bridge hindurch in den Pool of London, die
Seekadetten an der Reling aufgereiht.
    Ihre Wohnung hätte keinen größeren Kontrast zu den
klaustrophobischen Zimmern im siebten Stock des Fairweather Building
bieten können, in denen sie von ihrer Großmutter inmitten des Gestanks
umgekippter Mülltonnen und schrill kreischender Stimmen im ständigen
Bewusstsein latent drohender Gefahr aufgezogen worden war. Als kleines
Mädchen hatte sie sich ängstlich und wachsam durch den
Großstadtdschungel bewegt. Ihre Kindheit war definiert durch die Worte
ihrer Großmutter zu einer Nachbarin, die sie als Siebenjährige zufällig
mitgehört und nie wieder vergessen hatte. »Wenn ihre Mutter schon einen
Bankert zur Welt bringen musste, hätte sie wenigstens am Leben bleiben
und für das Kind sorgen können, statt es mir aufzuhalsen! Sie hat ja
nicht mal gewusst, wer der Vater war, und wenn doch, hat sie's nicht
verraten.« Als Jugendliche konnte sie sich dazu durchringen, ihrer
Großmutter zu verzeihen. Immerhin musste die arme überarbeitete alte
Frau sich ohne jede Hilfe mit der unverhofften und unerwünschten Bürde
durchschlagen. Was Kate jedoch geblieben war und bis an ihr Ende
bleiben würde, war die Erkenntnis, dass einem ein wichtiger Teil der
Persönlichkeit fehlt, wenn man weder seinen Vater noch seine Mutter
gekannt hat, und dass es ein Loch in der Seele hinterlässt, das sich
nie mehr schließt.
    Aber sie hatte ihre Wohnung, eine Arbeit, die sie gerne und
gut machte, und bis vor einem halben Jahr hatte sie auch noch Piers
Tarrant gehabt. Sie waren der Liebe nah gekommen, auch wenn keiner das
Wort je in den Mund genommen hatte, und sie wusste, wie wichtig er für
ihr Leben gewesen war. Er war aus der Sonderkommission ausgeschieden,
um für das Antiterror-Dezernat der Met zu arbeiten. Obwohl ein Großteil
seiner neuen Tätigkeiten der Geheimhaltung unterlag, hatten sie viel
über die gemeinsame Vergangenheit als Kollegen reden können. Sie
sprachen dieselbe Sprache, er kannte die Doppelbödigkeit der
Polizeiarbeit, wie kein Zivilist sie kennen konnte. Als sie noch
zusammen im Team waren, hatte sie ihn sexuell anziehend gefunden, aber
eine Affäre hätte katastrophale Folgen gehabt. AD tolerierte nichts,
was die Effizienz seines Teams bedrohen könnte, und einer von ihnen,
wenn nicht beide, wären versetzt worden. Aber es schien ihr, als hätten
die Jahre der gemeinsamen Arbeit, die geteilten Gefahren,
Enttäuschungen, Erschöpfungen und Erfolge, manchmal auch die Rivalität
um ADs Anerkennung, sie so fest zusammengeschmiedet, dass es, als sie
dann ein Liebespaar wurden, eine ganz natürliche und glückliche
Bestätigung dessen gewesen war, was immer schon existiert hatte.
    Aber vor sechs Monaten

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