Adam Dalgliesh 14: Ein makelloser Tod
Absicht, sich zur Ruhe zu setzen und würde in Kürze eine
kommissionsübergreifende Spezialabteilung zur Ausbildung von Detectives
übernehmen; die kriminologischen Fachbereiche zweier Universitäten
seien an ihn herangetreten; jemand in der City wolle ihn für einen
nicht näher definierten Posten verpflichten, der ihm ungefähr das
Vierfache der gegenwärtigen Bezüge des Polizeipräsidenten einbringen
würde.
Jede dieser Mutmaßungen beantworteten Kate und Benton mit
Schweigen. Und sie mussten dazu nicht einmal Selbstdisziplin aufwenden,
weil sie wirklich nichts wussten, aber sie waren voller Vertrauen, dass
sie es als Erste erfahren würden, sobald AD eine Entscheidung getroffen
hatte. Ihr Chef, für den sie arbeitete, seitdem sie bei der
Kriminalpolizei war, würde in ein paar Monaten seine Emma heiraten.
Nach Jahren der Zusammenarbeit würden er und sie nicht mehr zum selben
Team gehören. Man würde sie wie versprochen zum Detective Chief
Inspector befördern, vielleicht schon in ein paar Wochen, und sie
durfte darauf hoffen, noch weitere Stufen der Leiter zu erklimmen. Es
mochte eine einsame Zukunft sein, aber wenn es so war, blieb ihr
wenigstens der Beruf, der einzige, für den sie sich je interessiert
hatte, dem sie alles verdankte, was sie heute besaß. Und wer hätte
besser gewusst als sie, dass es schlimmere Schicksale als Einsamkeit
gab.
Der Anruf kam um zehn vor elf. Sie wurde erst um halb zwei im
Büro erwartet und wollte die Wohnung gerade verlassen, um die
alltäglichen Dinge zu erledigen, die ihr immer Stunden von den halben
freien Tagen raubten: ein Einkauf im Supermarkt, eine reparierte
Armbanduhr vom Uhrmacher holen, ein paar Kleider in die Reinigung
bringen. Der Anruf erreichte sie auf ihrem Diensthandy, und sie wusste,
wessen Stimme erklingen würde. Sie hörte aufmerksam zu. Es handelte
sich um einen Mordfall, wie zu erwarten war. Das Opfer, Rhoda Gradwyn,
eine Journalistin, war um halb acht am Morgen nach ihrer Operation in
einer Privatklinik in Dorset tot, offenbar erdrosselt, in ihrem Bett
gefunden worden. Er nannte ihr die Adresse, Cheverell Manor, Stoke
Cheverell. Keine Erklärung, warum das Team mit dem Fall beauftragt war,
aber da dürfte Number Ten wieder die Finger im Spiel haben. Sie sollten
mit dem Auto anreisen, entweder in ihrem oder Bentons, und das Team
würde versuchen, gleichzeitig dort einzutreffen.
Sie sagte: »In Ordnung, Sir. Ich rufe Benton gleich an und
hole ihn in seiner Wohnung ab. Ich denke, wir fahren mit seinem Wagen.
Meiner muss zur Inspektion. Ich habe meinen Spurensicherungskoffer
immer zur Hand, und er seinen auch.«
»Gut. Ich muss noch schnell in den Yard, Kate, wir treffen uns
in Shepherd's Bush. Ich hoffe, ihr seid dann auch da. Über die
Einzelheiten, soweit ich sie kenne, informiere ich euch, wenn wir uns
sehen.«
Sie beendete das Gespräch, sagte Benton Bescheid, und keine
zwanzig Minuten später trug sie die Tweedhose und die Jacke, die sie
immer für Mordfälle in ländlicher Umgebung anzog. Der Koffer mit den
anderen Sachen, die sie brauchte, stand immer fertig gepackt bereit.
Rasch kontrollierte sie Fenster und Steckdosen, schnappte sich den
Spurensicherungskoffer, drehte die Schlüssel in beiden
Sicherheitsschlössern und machte sich auf den Weg.
3
K ates Anruf erreichte Sergeant Francis
Benton-Smith beim Einkaufen auf dem Bauernmarkt in Notting Hill. Für
die nächsten Stunden hatte er einen minutiösen Plan, und er war bester
Stimmung, freute sich auf einen wohlverdienten Ruhetag, der mehr
energetisches Vergnügen als Ruhe versprach. Er hatte seinen Eltern
versprochen, ihnen in ihrem Haus in South Kensington ein Mittagessen zu
kochen, den Nachmittag beabsichtigte er mit Beverley im Bett seiner
Wohnung in Shepherd's Bush zu verbringen und würde, um dieser perfekten
Mischung aus erfüllten Sohnespflichten und Vergnügen das Sahnehäubchen
aufzusetzen, abends mit ihr in den neuen Film im Curzon gehen. Darüber
hinaus war dieser Tag eine Art private Feier seiner jüngst erfolgten
Wiederernennung als Beverleys Freund. Das allgegenwärtige Wort störte
ihn ein bisschen, aber er hätte es unpassend gefunden, sich als ihren
Liebhaber zu bezeichnen, was nach seinem Dafürhalten einen höheren Grad
an Engagement bedeutet hätte.
Beverley war Schauspieler – sie bestand darauf, nicht
Schauspielerin genannt zu werden – und bastelte an einer
Fernsehkarriere. An ihren Prioritäten hatte sie von Anfang an keine
Zweifel gelassen – was ihre
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