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Adam Dalgliesh 14: Ein makelloser Tod

Adam Dalgliesh 14: Ein makelloser Tod

Titel: Adam Dalgliesh 14: Ein makelloser Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. D. James
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gemeißelte Gesichter wie die von Patienten, die
unerwarteten Schmerz verspürten, Begräbnisgesichter, Gesichter von
gekünstelter Feierlichkeit wie bei Trauergästen, die sich für die
Exequien eines unbetrauerten, aber im Tode einschüchternde Macht
gewinnenden flüchtigen Bekannten die passende Miene zurechtlegten.
Flavias verquollenes Gesicht, die geschwollenen Lider und von Tränen
getrübten Augen. Dabei hatte er sie gar nicht richtig weinen sehen, und
ihre einzigen Worte, an die er sich erinnern konnte, hatten in ihrer
Banalität eher ärgerlich geklungen.
    »Du hast wunderbare Arbeit geleistet. Sie hat so lange
gewartet, und jetzt sieht sie es nicht einmal mehr. Die viele Zeit und
Geschicklichkeit, für nichts und wieder nichts.«
    Sie hatten beide einen Patienten verloren, der bisher einzige
Todesfall in seiner Klinik im Manor. Waren es Tränen der Enttäuschung
oder der Schuld? Tränen der Trauer konnten es beim besten Willen nicht
sein.
    Und jetzt standen ihm die Bostocks bevor. Er musste sich ihrem
Bedürfnis nach Beruhigung und Trost stellen, nach Entscheidungen in
Angelegenheiten, die unwichtig erschienen, ihnen aber nicht unwichtig
waren. Bei seiner Ansprache um Viertel nach acht in der Bibliothek
hatte er alles Nötige gesagt. Zumindest in dem Moment hatte er
Verantwortung übernommen. Er hatte sich kurz fassen wollen, und er
hatte sich kurz gefasst. In einem ruhigen und bestimmten Tonfall. Jetzt
wussten sie alle Bescheid über die Tragödie, die auch ihr Leben
berührte. Miss Rhoda Gradwyn war heute Morgen um halb acht tot in ihrem
Zimmer aufgefunden worden. Einiges deutete darauf hin, dass es kein
natürlicher Tod war. Ja, dachte er, so konnte man es auch ausdrücken.
Man hatte die Polizei benachrichtigt, der Chief Inspector des örtlichen
Reviers hatte sich auf den Weg gemacht. Natürlich würden sie alle die
Ermittlungen der Polizei unterstützen. Und bis dahin sollten sie Ruhe
bewahren, auf Klatsch und Mutmaßungen verzichten und ihre Arbeit
machen. Aber welche Arbeit denn überhaupt? Mrs. Skeffingtons Operation
war abgesagt. Der Anästhesist und das OP-Personal waren telefonisch
verständigt worden; Flavia und Helena hatten das übernommen. Nach
seiner kurzen Ansprache hatte er keine Fragen gestattet und die
Bibliothek gleich verlassen. Aber war dieser Abgang – alle
Augen waren auf ihn gerichtet – nicht nur eine theatralische
Geste gewesen, eine bewusste Vermeidung von Verantwortung? Er erinnerte
sich, einen Moment lang vor der Tür stehen geblieben zu sein, wie ein
Fremder, der sich im Haus nicht auskannte.
    Und jetzt, am Küchentisch mit Dean und Kimberley, sollte er
sich Gedanken über Erbsensuppe und Buttermilchbrot machen. Seit der
Sekunde seines Eintritts in einen Raum, den er so gut wie nie betrat,
kam er sich wie ein Eindringling vor. Welche Versicherungen, welchen
Trost erwarteten sie von ihm? Er saß den Gesichtern verängstigter
Kinder gegenüber, Kinder, die auf Antworten warteten, die nichts mit
Brot oder Suppe zu tun hatten.
    Er unterdrückte seinen Ärger über ihr offensichtliches
Bedürfnis nach Anweisungen und wollte gerade sagen, ›tut einfach, was
ihr für das Beste haltet‹, als er Helenas Schritte hörte, die leise
hinter ihn getreten war. Nun vernahm er ihre Stimme.
    »Erbsensuppe ist eine wunderbare Idee, heiß, sättigend und
tröstlich. Und mit der Brühe ist sie schnell gemacht. Ich denke, wir
sollten die Verpflegung einfach halten. Damit es hier nicht aussieht
wie beim Erntedankfest. Serviert das Buttermilchbrot warm und mit viel
Butter. Eine Käseplatte wäre eine gute Ergänzung zum kalten Braten, die
Leute brauchen Proteine, aber in Maßen. Und alles so schön appetitlich
anrichten wie immer. Keiner hat Hunger, aber essen müssen sie alle. Es
wäre eine gute Idee, Kimberleys ausgezeichneten Zitronenaufstrich zu
servieren, und zum Brot etwas Aprikosenmarmelade. Menschen, die unter
Schock stehen, haben oft Heißhunger auf Süßes. Und sorgt bitte für
Kaffee, jede Menge Kaffee.«
    »Müssen wir den Polizisten auch etwas zu essen machen, Miss
Cressett?«, fragte Kimberley.
    »Kann ich mir nicht vorstellen. Aber das erfahren wir
rechtzeitig. Wie Sie wissen, leitet Chief Inspector Whetstone die
Untersuchungen nun doch nicht. Sie schicken ein Spezialistenteam von
der Metropolitan Police. Ich vermute, dass sie unterwegs etwas gegessen
haben. Ihr beiden seid fantastisch, wie immer. Wahrscheinlich kommt
unser aller Leben für eine Weile durcheinander, aber ihr

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