Adam Dalgliesh 14: Ein makelloser Tod
Armatur zeigte, dass die Dusche funktionierte.
Die Seife war nicht parfümiert, aber teuer, und als sie den
Hängeschrank öffnete, entdeckte sie dort notwendige Dinge, die ein Gast
vielleicht zu Hause vergessen haben könnte: eine Zahnbürste in
Zellophan, Zahncreme, Shampoo und Duschgel. Als Frühaufsteherin
bedauerte Kate das Fehlen eines Wasserkessels und anderer für die
Zubereitung des Morgentees benötigter Utensilien, aber ein knapper
Hinweis auf der Kommode klärte sie darüber auf, dass man sich zwischen
sechs und neun jederzeit einen Tee auf das Zimmer bringen lassen
konnte, auch wenn die Morgenzeitung leider erst gegen halb neun
geliefert wurde.
Sie tauschte die Bluse gegen eine frische, zog einen
Kaschmirpullover über, nahm ihr Jackett zur Hand und traf Benton im
Foyer. Die Dunkelheit draußen war im ersten Moment undurchdringlich und
verwirrend. Bentons Taschenlampe, stark wie ein kleiner
Suchscheinwerfer, verwandelte die Gehplatten und den Weg in
unberechenbare Hindernisse und verzerrte die Konturen von Sträuchern
und Bäumen. Als Kates Augen sich an die Nacht gewöhnt hatten, erkannte
sie immer mehr Sterne hinter der Melange aus Schwarz und Wolkengrau, in
der ein graziöser Halbmond sich mal versteckte und wieder erschien, um
die schmale Straße weiß erscheinen und die Dunkelheit geheimnisvoll
schillern zu lassen. Sie gingen wortlos, ihre Schuhe klangen wie
genagelt auf dem Asphalt, bedrohlich entschlossene Invasoren aus einer
fremden Welt, die den Frieden der Nacht störten. Aber die Nacht ist
nicht friedlich, dachte Kate. Auch in der Dunkelheit hörte sie das
leise Rascheln im Gras, und hin und wieder einen fernen, beinahe
menschlichen Schrei. Die unerbittliche Folge des Tötens und
Getötetwerdens nahm im Schutz der Dunkelheit ihren Fortlauf. Rhoda
Gradwyn war nicht das einzige Lebewesen, das in dieser Freitagnacht
gestorben war.
Nach etwa fünfzig Metern kamen sie am Cottage der Westhalls
vorbei. In einem Fenster des ersten Stocks und zwei Fenstern des
Erdgeschosses brannte Licht. Ein paar Meter weiter links lagen der
Parkplatz und der schwarze Schuppen, dahinter bot sich der Blick auf
den Cheverell-Steinkreis, die Steine kaum mehr als erahnte Umrisse, bis
sich die Wolken vor dem Mond teilten, und man sie stehen sah,
körperlos, mondgebleicht, scheinbar schwebend über dem schwarzen,
ungastlichen Feld.
Sie waren auf Höhe der Alten Wache angekommen, aus zwei
Fenstern im Erdgeschoss fiel Licht. Als sie darauf zugingen, öffnete
Dalgliesh die Tür; auf den ersten Blick war er ihnen fremd in weiten
Hosen, kariertem Hemd mit offenem Kragen und Pullover. Es duftete nach
Kaminfeuer und einem würzigen Aroma.
Dalgliesh hatte drei bequeme Sessel an einen niedrigen
Eichentisch vor dem Feuer gezogen, auf dem neben einem Plan des Manor
eine geöffnete Flasche Rotwein und drei Gläser standen. Bei dem Anblick
ging Kate das Herz auf. Diese Gewohnheit am Ende des Arbeitstages war
eine Art Heimkehr. Wenn einmal ihre Beförderung anstand und damit der
unvermeidliche Wechsel des Arbeitsplatzes, wären das die Augenblicke,
die sie am stärksten vermissen würde. Man unterhielt sich über Mord und
Totschlag, manchmal in ihren entsetzlichsten Erscheinungsformen, aber
in der Erinnerung blieben diese Sitzungen am Ende eines Arbeitstages
als Zusammenkünfte voller Wärme und Geborgenheit zurück, des Gefühls,
gebraucht zu werden, das sie aus der Kindheit nicht kannte. Auf einem
Schreibtisch vor dem Fenster standen ein Telefon und Dalglieshs Laptop,
daneben lag ein dicker Ordner mit Papieren, am Tischbein lehnte eine
prall gefüllte Aktentasche. Er hatte sich also noch andere Arbeit
mitgebracht.
Er sieht erschöpft aus, als ob es nicht schon genug
wäre, dass er seit Wochen zu viel arbeitet, dachte sie, und
es kam ein Gefühl über sie, von dem sie bereits wusste, dass sie ihm
nie Ausdruck verleihen könnte.
Sie setzten sich um den Tisch herum. Dalgliesh sah Kate an und
fragte: »Sorgen die im Bed & Breakfast auch gut für euch? Habt
ihr etwas zu essen bekommen?«
»Sehr gut, danke, Sir. Mrs. Shepherd hat uns bekocht.
Hausgemachte Suppe, Fischpastete und – Sergeant, was war das
für eine Süßspeise? Sie kennen sich da besser aus.«
»Das nennt man Queen of Puddings, Ma'am.«
»Chief Inspector Whetstone hat mit den Shepherds vereinbart,
dass keine anderen Gäste aufgenommen werden, solange wir hier sind. Man
sollte sie für ihre Einbußen entschädigen, aber wahrscheinlich ist
längst dafür gesorgt. Die
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