Adam Dalgliesh 14: Ein makelloser Tod
örtliche Polizei ist sehr kooperativ. Auch
wenn es ihnen sicher nicht leichtfällt«, merkte Dalgliesh an.
»Ich glaube nicht, dass die Shepherds sich wegen anderer Gäste
Sorgen machen, Sir«, warf Benton ein. »Mrs. Shepherd sagt, sie haben
keine Buchungen und rechnen auch nicht mit welchen. Außerdem gibt es
nur diese beiden Gästezimmer. Im Frühling und im Sommer ist hier viel
Betrieb, aber meistens mit Stammgästen. Und wählerisch sind sie auch.
Wenn Leute kommen, deren Gesichter ihnen nicht gefallen, hängt ganz
schnell das Belegt-Schild im Fenster.«
»Und was sind das für Gesichter, die ihnen nicht gefallen?«,
fragte Kate.
»Die von den Besitzern dicker Autos oder von Leuten, die sich
erst entscheiden wollen, nachdem sie das Zimmer in Augenschein genommen
haben. Alleinstehenden Frauen dagegen, oder Leute ohne Auto, die am
Ende des Tages nicht wissen wohin, steht die Tür immer offen. Am
Wochenende haben sie manchmal ihren Enkel zu Besuch, aber den bringen
sie im Gartenhaus unter. Chief Inspector Whetstone weiß Bescheid und
hat nichts dagegen. Sie mögen ihren Enkel, nur sein Motorrad nicht.«
»Und woher wissen Sie das alles?«, fragte Kate.
»Mrs. Shepherd hat es mir erzählt, als sie mir das Zimmer
gezeigt hat.«
Kate ging nicht weiter auf Bentons erstaunliches Talent ein,
Informationen von Leuten zu bekommen, ohne sie danach zu fragen.
Offensichtlich war Mrs. Shepherd ebenso empfänglich für die Reize
gutaussehender und respektvoller junger Männer wie der überwiegende
Teil ihrer Geschlechtsgenossinnen.
Dalgliesh schenkte Wein ein und breitete den Plan des Manor
auf dem Tisch aus. »Wir sollten uns den Grundriss des Hauses mal
genauer ansehen«, sagte er. »Wie ihr seht, ist er H-förmig, und das H
verläuft in Nord-Süd-Richtung und besteht aus einem West- und einem
Ostflügel. Eingangshalle, Großer Saal, Speisesaal und Bibliothek bilden
den Hauptteil des Hauses, dazu noch die Küche. Die Bostocks bewohnen
zwei Zimmer über der Küche, daneben hat Sharon Bateman ihr Zimmer. Der
Westflügel nach hinten hinaus dient der Unterbringung der Patienten.
Das Erdgeschoss umfasst die Behandlungssuite, zu der ein
Operationssaal, der angrenzende Narkoseraum und die Aufwachräume
gehören. Der Lift, groß genug für einen Rollstuhl und auch für eine
Trage, führt bis in den zweiten Stock, wo sich Schwester Hollands
Wohnzimmer, Schlafzimmer und Bad befinden, daneben die Patientensuiten,
von denen die erste von Mrs. Skeffington und die nächste von Rhoda
Gradwyn bewohnt wurden, außerdem die leerstehende Suite am Ende des
Flurs, alle mit Wohnzimmern und Badezimmern. Die Schlafzimmerfenster
blicken hinaus auf die Lindenallee und die Cheverell-Steine, die
Westfenster auf den Boskettgarten. Mr. Chandler-Powell wohnt im ersten
Stock des Ostflügels, Miss Cressett und Mrs. Frensham sind im
Erdgeschoss untergebracht. Die Zimmer unter dem Dach sind
Ersatzschlafzimmer, in denen medizinische und pflegerische Hilfskräfte
untergebracht werden, wenn sie über Nacht bleiben müssen.«
Nach einer Pause schaute er Kate an, und sie ergriff das Wort.
»Wir stehen vor dem Problem, dass wir hier im Manor eine Gruppe von
sieben Personen haben, von denen jeder Miss Gradwyn ermordet haben
könnte. Jeder von ihnen hat gewusst, dass sie schlief, dass die
Nachbarwohnungen unbewohnt waren und als Versteck zur Verfügung
standen, wo die chirurgischen Handschuhe aufbewahrt wurden; außerdem
hatte jeder einen Schlüssel für die Tür zum Westflügel oder hätte sich
einen besorgen können. Auch wenn die Westhalls nicht im Haus wohnen,
wussten sie, wo Miss Gradwyns Zimmer war, und sie haben Schlüssel zum
Haupteingang und zu der Tür zur Lindenallee. Falls Marcus Westhall
tatsächlich nicht vor halb eins ins Stone Cottage zurückgekehrt sein
sollte, dürfte er aus dem Schneider sein, aber er hat dafür keinen
zuverlässigen Zeugen. Außerdem ist seine Erklärung für die frühzeitige
Rückkehr mehr als seltsam. Wenn man fürchtet, dass das Auto nicht
zuverlässig funktioniert, lässt man es doch lieber in London
durchsehen, statt zu riskieren, mitten in der Nacht auf der Autobahn
liegenzubleiben. Und dann haben wir noch diesen Robin Boyton. Ich
glaube nicht, dass er wusste, wo Miss Gradwyn untergebracht war, und
einen Hausschlüssel haben sie ihm sicher nicht gegeben, aber er ist der
einzige persönliche Bekannte der Ermordeten, und er hat ausgesagt, sich
wegen ihr im Rose Cottage eingemietet zu haben. Mr.
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