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Adler und Engel (German Edition)

Adler und Engel (German Edition)

Titel: Adler und Engel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juli Zeh
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Stahlnetze unter der Türverkleidung. Er verzog keine Miene.
    Kann uns doch scheißegal sein, sagte er, guck mal.
    Er hatte Mengen von Alkohol gekauft, dabei war klar, dass ich nichts trinken konnte und durchfahren musste, während er sich auf dem Beifahrersitz amüsierte. Es war etwa elf Uhr vormittags, als wir die Tankstelle verließen.
    Bei Villach fuhren wir von der A2 ab, um einen ruhigeren Grenzübergang zu wählen und erst bei Tolmezzo auf die Autobahn zurückzukehren. Ich war nie zuvor in einem Auto über die Alpen gefahren. Die Steilwände waren fast schattenlos, es wurde immer heißer. Die Panzerglasfenster ließen sich nicht herunterdrehen, eine Klimaanlage gab es nicht, dafür aber ein Schiebedach, über dem senkrecht die Sonne stand. Ich musste meine Hände auf dem Lenkrad immer am selben Platz liegen lassen, um mich nicht am aufgeheizten schwarzen Plastik zu verbrennen, der Schweiß lief mir unter den Fingern hervor. Neben mir stöhnte Shershah, er lag flach im Liegesitz, seine Locken waren kraus geworden vom Schweiß und klebten an den Schläfen. Er drehte einen Vorrat an Zigaretten und verstaute sie im Handschuhfach. Kurz vor dem Pass kramte er eine Kassette aus seinem Rucksack und legte sie ein. Es war Beethoven. Shershah drehte voll auf und klopfte den Takt mit beiden Händen auf seinen Schenkeln. Mir wurde schwindelig. Ich drehte den Rückspiegel so, dass ich mein eigenes Gesicht darin sehen konnte, wenn ich den Blick hob, und schaute alle zwei Minuten nach, ob ich noch da war. Ich dachte über Schnecken nach.
    An der Grenze winkte man uns durch. Kaum waren die Zöllner außer Sichtweite, hob Shershah, den ich für tot gehalten hatte, beide Arme, streckte die Mittelfinger durch das Schiebedach und brüllte: FUCK YOU.
    Dann brachte er den ersten Joint zum Vorschein. Ich entspannte mich. Die Hitze schien ein wenig nachzulassen, die Berge vermittelten eine Idee von der Masse des Erdballs, die Straße ging steil bergab, ich spürte Schwerkraft. Beethoven wich den DOORS, Shershah erzählte, dass er sich für eine Reinkarnation von Jim Morrison hielt und warum.
    Als er endlich eingeschlafen war, stellte ich den Sitz zurück und träumte davon, in geheimer Mission in einem Panzerfahrzeug die Alpen zu überqueren, um zwei oder drei der Klostermädchen vor den Chinesen zu retten. Die Mädchen trugen Klamotten von Benetton und Esprit und sollten an die Algerier verkauft werden. Schon bei Ùdine glaubte ich, das Meer zu riechen; bei Mestre roch ich es. Die Autobahn verließ die Küste wieder und zog eine Schleife über Bologna. Meine Augen schmerzten vom Zusammenkneifen, ich hatte die Sonnenbrille vergessen. Ich wechselte die Klostermädchen gegen Jessie aus, die quiekend und kreischend in einer Zelle saß und bereits mehrere Chinesen in die Hand gebissen hatte. Ich zögerte den Moment der Rettung immer weiter hinaus, brachte Shershah ins Spiel, ließ ihn kläglich versagen, es wurde achtzehn Uhr, wir erreichten bei Rimini die Adria, eine Salve aus meinem Maschinengewehr schleuderte in Zeitlupe Jessies Bruder an die Wand, der sich als Verräter erwiesen hatte, auch Shershah brach zusammen, ich musste ihn opfern, er stand im Weg. Ich war kaputt, ich brauchte eine Pause. Wir hatten die Hälfte der Strecke geschafft, und ich hatte keine Ahnung, wie ich den Rest überleben sollte.
    Mit einem Schrei reiße ich mir den Kopfhörer aus dem Ohr. Clara hat mich am Arm berührt, ich hatte sie tatsächlich vergessen. Das Wohnzimmer ist nicht wieder zu erkennen. Es sieht aus, als wäre eine Armee Heinzelmännchen hindurchgefegt.
    Ich komme einfach nicht drauf, sage ich, wie du das in so kurzer Zeit geschafft haben kannst.
    Ich muss noch ein paar Sachen einkaufen, sagt sie, und was vorbereiten. Es wäre schön, wenn du dich mal für einige Stunden verdrücken könntest.
    Wohin denn, frage ich.
    Wie wär’s mit deiner eigenen Wohnung, fragt sie.
    Mädchen, sage ich, meine eigene Wohnung ist vollkommen durchwühlt. Mit Sicherheit suchen sie mich.
    Sie zieht den Kopf zurück, staunend, dabei legt sich ihr Kinn in Falten.
    Das wusste ich nicht, sagt sie schließlich.
    Ja, sage ich, ist mir klar.
    Dann geh spazieren, sagt sie.
    Es ist noch hell draußen, sage ich.
    Sie kapiert nicht. Ich verlasse das Zimmer, nehme den Recorder mit und ziehe mir die Schuhe an.
    Kommt der Spitzel aus Wien auch vorbei, frage ich.
    Warum nennst du ihn einen Spitzel, fragt sie zurück.
    Aber offensichtlich weiß sie sofort, von wem die Rede

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