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Advocatus Diaboli

Titel: Advocatus Diaboli Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Romain Sardou Hanna van Laak
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den Sattel …

    Am übernächsten Tag zeichnete sich vor seinen Augen das Kloster im morgendlichen Dunst ab. Es erhob sich auf einem natürlichen Felsvorsprung, der die Adria überragte, auf halbem Weg zwischen Ancona im Norden und Varano im Süden. Die schlechte Sicht ließ es auftauchen wie das Walhall der Legende, das sich auf den Strahlen der Sonne von einem Ort zum nächsten bewegt.
    Damon Cyprien hatte nicht übertrieben, als er gesagt hatte, die Festung sei beeindruckend. Das Gebäude war gewaltig, quadratisch und fast hundert Fuß hoch; es besaß weder ein sichtbares Portal noch Schießscharten oder einen zentralen Bergfried: ein furchteinflößender Steinklotz. In seiner Umgebung gab es keinerlei Leben und keine Behausung, abgesehen von einem winzigen Hafen, der vor Kurzem auf dem Kiesstrand angelegt worden war.
    Rings um das Kloster sah man nichts als Kieselsteine und vom Frost weiß überzogenes Gestrüpp sowie gerade einmal kniehohes Gehölz. Ein dünnes Rinnsal floss von dem Felsvorsprung ins Meer hinab.
    Aba hielt sein Pferd in gebührendem Abstand an und band die Zügel an dem einzigen, verkrüppelten Baum fest, der hier noch stand. Mit kleinen Schritten und gebeugtem Rücken eilte er auf das Gemäuer zu, die Armbrust in der Faust. Der Nebel half ihm, sich zu verbergen, war zugleich aber ein schlechtes Omen, er schützte und ängstigte ihn gleichermaßen.
    Er umrundete das Monument einmal: kein Eingang. Das Einzige, was er sah, waren die Umrisse einer Fußgängerpforte, die mit Mörtel geschlossen worden war. Trotz der gewaltigen Ausmaße des Gebäudes war kein Zugang zu entdecken: »Vielleicht gibt es unterirdische Geheimtüren, die fernab von den Mauern gegraben wurden?«, sagte er halblaut vor sich hin.
    Nirgends sah er einen Erkerturm oder eine Barbakane, von denen aus die Wachposten die Umgebung beobachten und seine Ankunft bemerken konnten.

    Die Steine des Festungswalls waren zu makellosen Vierecken gehauen, die Rillen zeichneten sich durch eine erstaunliche Regelmäßigkeit aus, die Mauern waren gerade und glatt. Ihre Wände verbreiterten sich an der Basis zu einer schräg nach außen abfallenden Fläche, die den Angriff mit Leitern und die Arbeit der Sturmspitzen behinderte und von der schwere Geschosse, die von den Mauerzinnen abgefeuert wurden, abprallten und mit aller Wucht als Querschläger wieder davonflogen.
    Hierhin also wurde Hue de Montmorency, der Herr von Mollecravel, gebracht und von seinen Dämonen befreit, damit er zu jenem lammfrommen Christen wurde, der er angeblich heute ist? Hinter diese Mauern hat man Perrot verschleppt …?, fragte sich Aba.
    Plötzlich hörte er eine Kette oder eine Seilrolle knarzen. Es folgte das dumpfe Geräusch eines ins Wasser fallenden Körpers. Nachdem wieder Stille eingekehrt war, setzte Aba sich vorsichtig in Bewegung und entdeckte ein künstliches Wasserbecken mit einem Durchmesser von fünfzehn Fuß. Es war mit den gleichen Steinen eingefasst wie das Kloster, und der zuvor entdeckte Wasserlauf nahm dort seinen Ursprung. Ein Leichnam trieb auf der Wasseroberfläche, die noch vom Aufprall Wellen schlug. Aba blickte empor: In etwa sechzig Fuß Höhe wurde eine mit Eisen beschlagene Klappe hochgezogen.
    Er trat näher und versuchte mit Hilfe seiner Armbrust den auf dem Bauch treibenden Körper umzudrehen, dann aber entdeckte er entsetzt, dass unter ihm noch weitere halbverweste Leichen schwammen.
    Mindestens vier.
    Der Leichnam drehte sich um: Sein Gesicht war verstümmelt, die Augen und der Unterkiefer fehlten. Sein Bauch war zwei Spannweit aufgeschlitzt und restlos ausgenommen. Der Unterleib glich einem leeren Schlauch; Aba blickte auf das Knochengerüst des Skeletts, auf die Rippen, das Brustbein und die Wirbel.

    Auch die anderen Leichen waren unvollständig: Ein Arm oder zwei Beine fehlten, der Kopf oder das Becken waren gespalten, die Geschlechtsorgane amputiert oder der Schädel war durchbohrt und ringsherum geöffnet.
    Pater Aba hatte genug gesehen. Er ergriff die Flucht und rannte davon, ohne dass er diese Bilder des Grauens aus seinem Kopf vertreiben konnte.

VI
    I n Olmütz verließ Rainerio, kurz bevor die Tore zum Schutz der Einwohner vor den Plünderern geschlossen wurden, in Begleitung von Daniel Jasomirgott zu Pferde die Stadt.
    Sie schlugen die Richtung nach Most nordöstlich von Prag ein. Sie hatten eine Wegstrecke von etwa hundert Meilen vor sich.
    Rainerio hatte den früheren Freund von Otto Cosmas nur um eines gebeten: Er möge

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