Advocatus Diaboli
massakriert und innerhalb eines Tages durch gute und glaubensfeste Katholiken ersetzt hatte. Seitdem wurde Disard von unerbittlichen Priestern regiert. Das ganze Dorfleben war davon geprägt: Der Besitzer der einzigen Herberge Das Florett durfte keinen Wein ausschenken, denn dieser war für die Eucharistie reserviert; er durfte kein Lamm servieren, denn jenes war für Ostern bestimmt; den Frauen war der Einlass verwehrt, damit sie niemanden zum Ehebruch verführten, und die Betten waren hart und kratzig, damit niemand vergaß, dass das Leben kein Spaziergang war.
Pater Aba begab sich zur Herberge. Er war erschöpft von seinem Marsch, und sein verstümmeltes Auge verursachte ihm schreckliche Kopfschmerzen.
Die Herberge verfügte über ungefähr fünfzehn Betten, das Gebäude war solide, und das Stroh wurde oft erneuert.
Als er an diesem Abend eintrat, war der Schankraum voller Menschen, und niemand zollte ihm die geringste Beachtung - durchaus ungewöhnlich, wenn ein Unbekannter in eine von Stammgästen bevölkerte Taverne trat.
Die Gespräche waren hitzig.
Aba bahnte sich einen Weg bis zum Schanktresen. Er ließ seinen Umhang verschlossen und gab sich als Pilger aus, der das Hospiz von Roncevaux erreichen wollte, bevor er sich nach Rom und Jerusalem aufmachte. Seine noch frischen Wunden erklärte er mit einem Überfall von Räubern an den Ufern des Tarn.
Man führte ihn in ein leeres Zimmer, in dem man ihm ein Matratzenlager für vier zuteilte. Kaum dass er alleine war, reinigte er seine Narben mit einem in Essig getränkten Tuch. Er nahm seine Binde ab und wusch sie.
Er war gezwungen, geradeaus zu schauen, denn bei jeder Bewegung seines gesunden Auges folgte das verletzte und verursachte ihm unerträgliche Schmerzen.
Aba legte Anas Binden auf, um seine Migräne und seine Wundschmerzen zu lindern.
Bei Einbruch der Nacht kehrte er in die Schänke zurück, um eine Erbsensuppe zu sich zu nehmen. Er setzte sich ans Ende eines Tisches, wo die Gäste besonders heftig aufeinander einredeten.
Alsbald begriff er die Gründe des Skandals, der Das Florett erschütterte, und sah seine Vermutungen über die schwarz gekleideten Männer bestätigt: Die Pferde, die dunkle Kleidung, die Kapuzen, die Waffen, alles fügte sich zusammen, sie waren wirklich durch Disard gekommen. Sie hatten sich Zugang zur Herberge verschafft und die Vorratskammer geleert, bevor sie mitten in der Nacht wieder aufbrachen, nachdem sie ihren Aufenthalt mit silbernen Gros tournois bezahlt hatten. Der Gastwirt musste sich zum Markt von Bèze begeben, um seine Vorräte wieder aufzufüllen.
Am meisten aber zerrissen sich die Gäste das Maul über die Tatsache, dass sich eine Frau unter der Truppe verborgen und die Nacht mit Männern zusammen verbracht hatte!
Sie konnte unmöglich unbemerkt bleiben, denn sie hatte sehr langes Haar. Rotes Haar. Leuchtend rotes Haar.
Es hieß, sie sei die Anführerin gewesen.
»Eine Frau?«, empörte sich Aba innerlich. »Wie kann eine Frau in diese Gräueltaten verwickelt sein? Über Kinder herfallen?«
Die Rolle dieser Frau hatte auch den Zorn des Pfarrers von Disard entfacht. Er hatte heute verkündet, die Herberge sei Stein für Stein niederzureißen und weiter weg, von ihren Sünden reingewaschen, wieder aufzubauen. Er wollte die Gelegenheit nutzen, um den Namen Florett , der allzu sehr nach Rittertum schmeckte, gegen Herberge des Heils zu tauschen.
Aba fragte daraufhin in beiläufigem Tonfall: »War auch ein Kind bei der Truppe?«
Seine Nachbarn hatten keinen kleinen Jungen gesehen.
Als die Reiter Disard verließen, hatten sie ihre Kapuzen und ihre schwarze Kleidung zurückgelassen. Einem der Augenzeugen zufolge sahen sie aus wie Räuber und Wegelagerer.
Alle rühmten indes die Kraft und Schönheit ihrer Pferde.
Aba zügelte mühsam seine Neugierde; er durfte seine Nachbarn nicht weiter ausfragen, denn dadurch wäre er aufgefallen.
In seinem Kopf jedoch hatte sich ein Plan herauskristallisiert.
Er wollte sich diese silbernen Tournois genauer ansehen, die die Truppe zurückgelassen hatte.
Am frühen Morgen stand er als Erster auf.
Meister Lordenois, der Wirt, war inzwischen aus Bèze zurückgekehrt.
Die beiden Männer unterhielten sich am Schanktresen, der Raum war leer; der Wirt räumte seine Brote ein und hängte die Wurst auf.
Nach einigen Floskeln über Pilgerreisen, die Beschwerlichkeit der Straße und die Gefahren des Alleinreisens servierte der Wirt Aba eine Brettjause und eine
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