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Äon

Äon

Titel: Äon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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man in Rom ist, hüte man sich vor öffentlichen Wartesälen.«
    Lanier lachte kopfschüttelnd. »Herrgott, ich versteh’ immer nur Bahnhof«, ließ er Patricia wissen. »Aber daß er aufpaßt, das muß man ihm lassen.«
    Der Diskus war nun in Höhe eines breiten, niedrigen Tors in der Ostseite des Terminals. Das ganze Gebäude war bedeckt mit einem milchglasartigen Material; orangefarbene Metallbänder verliefen in scheinbar willkürlichen Abständen unter den horizontalen Scheiben.
    »Wunderschön«, sagte Farley staunend. Patricia gab ihr recht; dann spürte sie, wie es in ihren Augen heiß und feucht wurde; den Grund konnte sie nur raten. Ihr Hals kratzte, und sie wischte sich die Tränen fort.
    »Was ist denn?« fragte Lanier, der zu ihr rückte.
    »Wunderschön!« sagte sie mit einem Seufzer. Lanier spürte, daß auch seine Augen feucht wurden.
    »Wir können sie einfach nicht vergessen«, sagte er. »Wohin wir auch gehen, was immer wir sehen, wir müssen immer an sie denken. Die vier Milliarden.«
    Sie nickte heftig. Olmy näherte sich nun von hinten, zückte plötzlich ein altertümliches Taschentuch und reichte es über Patricias Schulter. Sie nahm es dankend entgegen.
    »Wenn du das länger machst«, warnte er flüsternd, »dann bist du in wenigen Minuten hoffnungslos umzingelt. Für uns ist es nicht alltäglich, jemand weinen zu sehen.«
    »Du meine Güte!« sagte Carrolson.
    »Nehmt das nicht als Maßstab«, meinte Olmy. »Wir empfinden ebenso intensiv, aber bringen unsre Gefühle eben anders zum Ausdruck.«
    »Geht schon wieder«, sagte Patricia, die sich unbeholfen die Augen abtupfte. »Du hast das Taschentuch nur für…«
    Olmy lächelte. »Für Notfälle mitgebracht.«
    Lanier nahm das Taschentuch und trocknete die letzten Tränen; dann schwenkte er es, um damit ein paar herumfliegende Tränen einzufangen. »Danke«, sagte er und gab es Olmy zurück.
    »Bitte, bitte.«
    Das Terminal nahm sie auf. In der hohlen Struktur steuerten Lichtstrahlen das Fahrzeugaufgebot. Einen knappen Kilometer unter ihnen lag im Zentrum das eigentliche Tor: ein gewaltiges, glattrandiges, gleichmäßig blaues Loch.
    »Das ist unser zweitgrößtes Tor mit einem Durchmesser von fünf Kilometern«, erklärte Olmy. »Das größte ist sieben Kilometer im Durchmesser und führt zur Talsit-Welt bei eins Punkt drei x sieben.«
    »Wir gehn da drein?« fragte Heineman staunend.
    »Ja. Es besteht keine Gefahr.«
    »Außer für meine geistige Gesundheit«, meinte Heineman. »Wär’ ich nur Maler und Anstreicher geworden.«
    Nun befanden sie sich direkt über dem Tor, wo außer Blau nichts zu erkennen war. Fünf kleinere Disken eilten im Verband voraus und bahnten ihnen einen Weg. Am Rand des Tors stürzten Hunderte von Zylindern und Fahrzeugen in majestätischem, kontrolliertem Fall von den Fahrbahnen.
    Lichtlinien bildeten sich und umschlossen schaftartig ihren Diskus. Als sie in gleicher Höhe des Torrands waren, erkannte Lanier plötzlich Details auf dem Boden darunter. Die Frant-Welt wurde – perspektivisch verzerrt und blau eingefärbt – sichtbar. Da waren Ozeane zu erkennen, ferne schwarze Gebirge vor ultramarinblauem Himmel, die abgeflachte, gleißende Sonnenscheibe.
    »Du meine Güte«, sagte Carrolson staunend. »Seht nur!«
    »Lieber nicht«, erwiderte Heineman. »Glaubst du, Olmy hat auch Dramanin einstecken?«
    Die fliegenden Menschentrauben piktographierten zum Ausdruck ihrer Begeisterung grelle Kreise und Farbblitze. Der Diskus vibrierte, und dann rückte die Landschaft in die richtige Perspektive. Der steuernde Lichtschaft verschwand, und der Diskus passierte das Tor vollends und senkte sich plötzlich auf eine grelle weiße Fläche.
    Lanier, Carrolson und Patricia traktionierten tiefer zum Rand des Kraftliniennetzes, um den Horizont der Frant-Welt zu sehen. Ringsum reihten sich zwischen schwebenden Disken Zylinder und andere Fahrzeuge und spien ihre Ladung aus. Lanier drehte sich einmal um die eigene Achse und blickte zum Gebirge und Meer hinter dem weißgepflasterten Landebereich. Noch nie hatte er einen so tiefblauen Himmel gesehen.
    Wie eine züngelnde Fackel im Wind fiel ein Meteor zur fernen Meeresoberfläche. Bevor er aufschlug, war vom Horizont ein Gitter pulsierender orangefarbener Strahlen hervorgeschossen und hatte ihn zertrümmert. Weitere Strahlen fächerten auf und suchten die trudelnden Trümmer, so daß nur noch Staub auf Meer und Land fiel.
    »Das ist die Geschichte ihres Lebens in einer

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