Aerzte zum Verlieben Band 58
wegstecken, ohne die SMS zu öffnen – sie hatte auf die harte Tour lernen müssen, dass ihre Schwester sich nur bei ihr meldete, wenn sie etwas wollte. Versehentlich drückte sie dabei die falsche Taste, sodass die Nachricht auf dem Display erschien.
Sorry, dumm gelaufen. Hättest du das Interview lieber gemacht.
Interview? Welches Interview?
Dann fiel es Jane wieder ein. Es ging um eine Story, die Jennas Herausgeberin in irgendeinem Klatschmagazin hatte unterbringen wollen: eine Geschichte über die Verschiedenheit von Zwillingen. Nach dem Motto: Jenna, die strahlende Schönheit, und Jane, die unscheinbare Streberin. Zu der Zeit steckte Jane mitten in ihren Abschlussprüfungen und hatte das Interview aus Zeitmangel abgesagt.
Damit hatte sie die Angelegenheit als erledigt betrachtet. Ein fataler Fehler, wie sich jetzt herausstellte.
Wider besseres Wissen klickte Jane den Anhang an. Und wünschte im selben Moment, sie hätte es nicht getan. Für dieses Foto hatte sie ganz sicher nicht freiwillig posiert – sie sah aus, als käme sie gerade von einem megaanstrengenden Bereitschaftsdienst und hätte zwei Nächte nicht geschlafen: bleich, mit geröteten Augen und spröden Lippen. In einer ausgeleierten Jogginghose, einem ausgeblichenen T-Shirt und einem schäbigen Parka darüber, die Haare achtlos unter eine Wollmütze gestopft, offenbar auf dem Weg zu ihrer täglichen Joggingrunde, um anschließend wie eine Tote ins Bett zu fallen. Wie sie sich ihren Lebensunterhalt verdiente, das wurde in dem Artikel, der sich ausschließlich um Jenna drehte, nicht erwähnt.
Mit Schrecken fiel Jane ein, dass die Zeitschrift auch am Krankenhauskiosk erhältlich war. Am besten, sie warnte Theo vor. Aber nicht heute. Sie wollte ihm und Maddie nicht den Spaß verderben.
Während sie ihr Handy zurück in die Handtasche gleiten ließ, ging ihr eine Frage nicht aus dem Kopf: Warum hasste Jenna sie nur so sehr? Dabei bemühte Jane sich ehrlich, ihre Schwester in jeder Hinsicht zu unterstützen. Das Leben eines Supermodels war hart, das war ihr bewusst. Schon ihre Mutter war fast daran zerbrochen. Jenna litt häufig unter Kopfschmerzen und – wie sie es nannte – Nervenkrisen, während Jane über eine äußerst stabile Konstitution verfügte und sich kaum mal eine Erkältung einfing.
Klaglos hatte sie sich um ihre fragile Mutter und ihre nicht weniger fragile Schwester gekümmert, hatte es als ihre Aufgabe betrachtet, für die beiden da zu sein, ohne ihnen je das Gefühl zu geben, sie seien ihr eine Last.
Doch sosehr sie sich auch bemühte, Jenna konnte sie es nie recht machen. Ihre Ablehnung war fast mit Händen greifbar. Woher diese rührte, war Jane völlig unbegreiflich.
Fest entschlossen, sich den Abend nicht von ihrer Schwester verderben zu lassen, schob sie sich durchs Gedränge – allerdings nicht Richtung Tombolatisch, sondern direkt an die Bar, wo sie ein Glas Champagner in einem Zug leerte. Der Alkohol tat seine Wirkung sofort, er konnte sie das scheußliche Foto zwar nicht vergessen lassen, nahm der Demütigung jedoch die Spitze.
Als Jane sich mit einem zweiten Glas Champagner in der Hand wieder unter die Leute mischte, wurde sie im Gedränge angerempelt, und der Inhalt ihres Glases ergoss sich über den Arm eines Mannes in Smokinghose und weißem Hemd.
„Oh, nein! Das tut mir leid“, rief Jane entsetzt aus. „Bitte entschuldigen Sie.“
„Kein Problem, so was kann vorkommen.“ Gelassen zog der Mann ein blütenreines Taschentuch aus der Tasche und begann, den Fleck abzutupfen.
Mit ein bisschen Herumgetupfe war es nicht getan, das wusste Jane. Also sagte sie: „Schicken Sie mir bitte die Reinigungsrechnung, ja?“ Sie wollte gerade Stift und Notizblock zücken, als ihr bewusst wurde, dass sie beides nicht dabeihatte. In ihrer lächerlich kleinen Abendhandtasche fanden gerade mal ihr Haustürschlüssel, ihr Portemonnaie und mit Mühe und Not ihr Handy Platz.
Der Mann lächelte. Ein sehr nettes Lächeln. „Schon gut, nicht nötig. Wenn Sie unbedingt Wiedergutmachung leisten wollen, dann tanzen Sie mit mir.“
Janes Herz hüpfte aufgeregt. Wie bitte? Er wollte mit ihr tanzen? Selbst James Bond wäre neben diesem Typen vor Neid erblasst. Er hatte volles dunkles Haar, durchdringende blaue Augen und ein Lächeln, das ihr durch und durch ging. Kurz gesagt: ein zum Niederknien schöner Mann.
„Tanzen? Mit Ihnen?“, fragte sie und kam sich vor wie eine dumme Gans.
„Tja, das tun die Leute doch für
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