Aetherresonanz (Aetherwelt) (German Edition)
ein bisschen zu laut, und Paul merkte, dass die Soldaten darauf regierten. Die Spannung im Raum ließ spürbar nach. Er sah sie dankbar an. Sie nickte und trank einen Schluck. Friedrich setzte sich zu ihnen.
„Wir finden deine Annabelle schon”, sagte er. „Er wird ihr nichts getan haben.”
„Dein Wort in Gottes Ohr.” Und wenn doch?, fragte Paul sich.
* * *
Annabelle erwachte, als Valentin den Raum betrat, setzte sich schnell auf und rieb ihre Augen. Sie hatte tatsächlich geschlafen, wusste aber nicht, wie lang. Valentin sah so wüst aus, wie sie sich fühlte.
„Was ist?”, fragte sie.
„Wir können nicht mehr ins Haus”, sagte er kurz angebunden.
„Warum?”
„Ich weiß es nicht genau, aber es sind eine Menge Leute da. Wir müssen weg. Wir sind hier nicht sicher. Aber ich brauche Zeit.” Er sah sich hektisch um.
„Wofür?”
Er setzte sich neben sie, lehnte sich zurück und schloss die Augen. Annabelle war zwar nicht wirklich ausgeruht, aber Valentin hatte wahrscheinlich überhaupt nicht geschlafen. Sie überlegte, ob sie ihn berühren sollte, hatte aber zu viel Angst vor dem, was sie fühlen könnte. Es war merkwürdig, aber irgendwie tat er ihr gerade leid. Er war im Moment einfach nur müde und verzweifelt. Sie konnte auch kein Grün um ihn herum erkennen.
„Ich habe etwas für meinen Vater”, sagte er langsam, öffnete die Augen und sah sie an. „Aber ich brauche deine Hilfe. Wenn es fertig ist, dann muss ich zu ihm und er muss es sehen, und dann wird er mich endlich verstehen und wir werden ...” Er verstummte.
„Zeig es mir”, sagte sie kurzentschlossen. Sie brauchte Informationen, um irgendwie einen Weg aus dieser Situation zu finden. Was war Valentin so wichtig? Vielleicht gab es doch eine Möglichkeit, ihn zu überreden, sie gehen zu lassen.
„Ach Annabelle, du bist so wundervoll”, sagte Valentin und seufzte leise. „Schon immer war alles leichter, wenn du da warst.” Er legte seine Hand auf ihr Knie.
„So oft war ich auch nicht da.”
„Ich weiß. Das war ja das Furchtbare. Niemand war da. Immer nur die Geschäftsleute meines Vaters und die Diener.”
„Hattest du keine Spielkameraden?”, fragte sie ungläubig und setzte sich anders hin, damit seine Hand von ihrem Bein rutschte.
„Wen denn?”, fragte er und gähnte. „Ich hatte Privatlehrer. Zur nächsten Schule ist es weit, und niemand wollte hier zum Spielen herkommen. Als dann der Æthernebel nicht mehr wegging, konnte ich auch nicht mehr nach draußen. Mein Vater hat mich nur ab und zu irgendwo hin mitgenommen.”
„Wie furchtbar!”, sagte Annabelle, und sie meinte das auch so. Sie konnte sich so ein Leben nicht vorstellen.
Valentin nickte: „Aber wenn du da warst, dann war alles anders.”
Sie konnte sich kaum erinnern. Ja, bei ihrem letzten Besuch hatte der Æther schon dauerhaft über den Flussauen gestanden, aber sie war mit Valentin trotzdem draußen gewesen, in dem großen Park, der damals noch wild bewachsen war. Sie waren auf Bäume geklettert und hatten holzige Äpfel über die Mauer geworfen. Es war für sie nichts Besonderes gewesen, obwohl die Väter es verboten hatten, aber Annabelle wurde jetzt klar, dass es für Valentin anders gewesen war.
„Bald wird sich alles ändern”, unterbrach Valentin ihren Gedankengang.
„Warum?”
„Wenn mein Vater sein Geschenk sieht, dann ...” Er sah Annabelle an, rieb sich die Stirn und schüttelte den Kopf. „Ich bin müde.”
„Leg dich doch ein wenig hier hin.” Vielleicht schlief er ja ein, und sie konnte flüchten? Auch wenn er im Moment ganz harmlos erschien, wollte Annabelle lieber schnell weg von hier.
Er legte sich tatsächlich hin, mit dem Kopf auf ihrem Schoss. Sie verkrampfte sich, aber er schloss die Augen und seufzte. Er schien plötzlich völlig entspannt. Vielleicht konnte sie seine Schlüssel nehmen, wenn er eingeschlafen wäre. Ihre Hand zitterte allein bei dem Gedanken. Sie erinnerte sich daran, wie er ausgesehen hatte, als er wütend war, und das wollte sie nicht noch einmal erleben. Er hatte zwei Gesichter, und Annabelle dachte darüber nach, ob es eine Geisteskrankheit war, oder doch eher Verdorbenheit?
Vielleicht konnte sie seine Verwirrung auch heilen. Das war ein verlockender Gedanke. Sie hob vorsichtig die linke Hand und bewegte sie zu seinen Haaren, aber kurz bevor sie sie berühren konnte, löste sich ein grüner Schemen von seiner Haut, so wie man es sich vorstellt, wenn die Seele den Körper verlässt.
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