Afrika Saga 02 - Feuerwind
hatten. Also musste er lediglich eine Karte, die vor 1854 von Zululand gezeichnet worden war, auftreiben und sie mit den heutigen Gegebenheiten vergleichen. In Durban würde er so etwas vielleicht finden, obwohl die Karten aus der Zeit meist von irgendwelchen Buschläufern angefertigt worden waren, die die Strecken- und Größenverhältnisse in abenteuerlicher Weise verfälschten. Vielleicht konnte ihm Tim Robertson weiterhelfen, und natürlich musste er sich mit seinem Vater unterhalten, der erstens ein sehr gutes Gedächtnis hatte und zweitens ein nüchterner Mensch war und kaum zu Fantastereien neigte.
Der Gedanke heiterte ihn auf. Fröhlich vor sich hinpfeifend, schleuderte er den Stein weit in den Fluss hinaus, wo er mit einem Platschen verschwand. Der Hammerkopfvogel, der am anderen Ufer auf Beute gelauert hatte, schnarrte empört und erhob sich schwerfällig in die Luft.
Seine selbst gezeichnete Schatzkarte faltete er zusammen und steckte sie in seine Hosentasche. Nach einem frugalen Mahl aus Maisbrei, getrocknetem Antilopenfleisch und den Resten des mageren Perlhuhns, das er am Vortag geschossen hatte, machte er sich auf den Weg nach Inqaba. Lulamani wartete, und er freute sich auf sie.
Jedes Mal, wenn Stefan das weizengelbe Dach von Inqaba im Grün schimmern sah, beschleunigte sich sein Puls. Der Ort der Zuflucht, so hieß das Wort Inqaba auf Deutsch, und das war es für ihn, seitdem er denken konnte, ein Ort voller Ruhe, innerer Wärme und Geborgenheit.
Als seine Mutter noch ständig auf Inqaba lebte, grüßte ihn meist der Duft von frisch gebackenem Brot, und wenn er ihren Namen rief, kam sie aus der Tür gelaufen, die Arme ausgebreitet, und die blanke Freude in ihren Augen ließ sein Herz hüpfen. Seit ihrem fast tödlichen Malariaanfall blieb die Tür geschlossen. Nur der berauschende Duft der Blüten des großen Frangipani, den seine Mutter einst von einem indischen Kaufmann geschenkt bekommen hatte, erinnerte an sie.
Nun war Lulamani die Herrin auf Inqaba. Nun ja, korrigierte er sich selbst, in seinem Haus auf Inqaba, das er und Lulamani bewohnten.
Es lag etwas abseits zur Linken, dort, wo eine flache Felsnase aus dem Hang wuchs. Er hatte es eigenhändig an der Stelle gebaut, an der Pierre Dillon einst seine Bienenkorbhütte gesetzt hatte. Später hatte Pierre, der eines Tages mit seinem Hund Napoleon aus dem Busch aufgetaucht und einfach geblieben war, daneben ein winziges Haus errichtet, das er bewohnte, bis er zu Mila Arnim zog und sie schließlich heiratete. Das Häuschen diente Lulamani noch heute als Kochhaus.
Bei seinem kurzen Besuch in Durban hatte er, um Lulamani eine Freude zu machen, neue Möbel und Kristall bestellt, weißes Porzellan und silbrig glänzendes Besteck. Erstens hatte er wegen Benita Willington ein schlechtes Gewissen, und zweitens waren die Geschäfte in der letzten Zeit gut gelaufen, und drittens hat sein letzter Besuch bei John Dunn ihm gezeigt, was Lebensart war. Der Mann residierte in einem prächtigen Haus mit unerhörtem Luxus, hatte einen Weinkeller, der dem Royal Hotel Konkurrenz machen konnte, und seine Dienerschaft war livriert und bestens erzogen. Das hatte ihm Appetit gemacht.
Seit er vor einiger Zeit das Geschäft seiner Mutter übernommen hatte und wie sie alle sechs Monate sämtliche größeren Hofstätten Zululands mit bis zum Rand gefüllten Planwagen besuchte, das verkaufte, was bestellt worden war, und Bestellungen für die nächste Fuhre aufnahm, am Ende selbst mit wohlgefülltem Wagen nach Inqaba zurückkehrte, hatte sich seine finanzielle Situation verbessert. Außerdem hatten seine Rinder bei der letzten Auktion in Durban einen sehr guten Preis erzielt.
Seinen zuletzt florierenden Waffenhandel nach Louren^o Marques hatte er eingestellt. Er wusste sehr genau, dass es Männer gab, unter anderem John Dunn, die diese Waffen von Mosambik wiederum ins Land einführten und den Zulus verkauften und damit das Verbot der Regierung in Natal, die Zulus mit Waffen zu versorgen, umgingen. Es wurde gemunkelt, dass Dunn und seinesgleichen in den vergangenen sechs Jahren über zwanzigtausend Gewehre an König Cetshwayo und seine Untertanen veräußert hatten.
Der Planwagen mit der Ladung, der von sechzehn Ochsen gezogen wurde, würde erst wesentlich später eintreffen. In dem unwegsamen Gelände kamen sie nur sehr langsam voran. Seine Sehnsucht nach Lulamani hatte ihn dazu getrieben, nur begleitet von einigen seiner Schwarzen, voranzureiten. Shikashika hatte er
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