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Afrika Saga 02 - Feuerwind

Afrika Saga 02 - Feuerwind

Titel: Afrika Saga 02 - Feuerwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
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Tür und ging hinüber zur Speisekammer.
    Bis auf ein paar eingemachte Früchte und ein kleines schwärzliche, mit einer Schmierschicht bedecktes, gepökeltes Fleischstück, dessen Ursprung er nicht mehr erkennen konnte, fand er sie leer vor.
    Seufzend schätzte er nach dem Sonnenstand, dass ihm noch eine Stunde Tageslicht blieb, griff sich sein Gewehr und seine Angel, band die kleine Nussschale von einem Boot los, die unterhalb der Veranda des Hauses vertäut im Sand lag, und wuchtete es zum Saum der auslaufenden Wellen.
    Mit kraftvollen Zügen ruderte er erst an der Felsbarriere entlang, die sich brechenden Wellen geschickt aussitzend, und dann durch das ruhige Wasser eines schmalen Korridors zwischen zwei parallel laufenden Felsen, die die Wucht der Brandung brachen, hinaus bis weit hinter die Brecher und warf seine Angel aus.
    Er hatte Glück, die Fische bissen schnell, und zum Abendessen konnte er einen Felsendorsch von beachtlicher Größe und eine bronzefarbene Brasse braten. Während sie, das Innere ihrer Bäuche gesalzen und mit Kräutern gefüllt, auf dem Feuer schmorten, tauchte er im letzten Licht in den Tidenteichen und fing fünf kapitale Langusten. Zum Schluss brach er ein Dutzend großer Austern von den Felsen, erntete eine Zitrone aus Catherines Obstgarten und machte sich daran, die Schalentiere mit seinem Jagdmesser zu öffnen. Mit einer Prise Pfeffer und ein paar Tropfen Zitronensaft schlürfte er sie hinunter.
    In seinen Jahren zur See war er auf den Geschmack gekommen, ungewöhnlich für einen Sägemüller aus dem tiefsten Bayerischen Wald. Seine Schwestern, die noch nie weiter aus dem Wald herausgekommen waren als nach Passau, würden sich wohl fürchterlich vor diesem Getier ekeln, aber sein Vater, der sein geheimes Leben in Büchern lebte, alles über fremde Länder wusste, doch noch nie eins gesehen hatte, sein Vater würde sich voller Begeisterung dieser neuen Erfahrung widmen. Da war er sich ganz sicher. Austern schlürfend schaute er über mehr als dreißig Jahre zurück in die Vergangenheit.
    Seine Schwestern waren nur noch schemenhafte Bilder in seiner Erinnerung, nie gealtert, nie verändert, immer in ihren schweren dunklen Kleidern, immer die Köpfe mit den bleistiftgeraden Scheiteln sittsam gesenkt, immer folgsam. Von seiner Mutter erinnerte er sich an das Lachen, ihr herzliches, lautes Lachen, das sie mit zurückgeworfenem Kopf und weit geöffnetem Mund lachte, das so fehl am Platz schien in dieser Welt, wo nur gearbeitet und so selten gefeiert wurde.
    Seine Heimat, die Sägemühle am Fuß des Rachel, im entlegensten Teil des Bayerischen Walds, wo um diese Jahreszeit schon der erste Schnee fiel, wo das Leben hart und eintönig dahinfloss, die Menschen knorrig und schweigsam wie die Bäume des Walds waren. Eine Welt, die weiter entfernt war als der Mond, der eben blass am Himmel erschien. Er hatte lange nicht mehr an seine Familie gedacht. Es erstaunte ihn, wie sehr er seine Mutter und seinen Vater vermisste, bei seinen Schwestern war es nicht so schlimm. Außer ihrer gemeinsamen Herkunft verband sie so gut wie nichts.
    Während er die vorletzte Auster öffnete und die Zitrone mit der Hand darüber ausquetschte, fragte er sich, ob seine Eltern inzwischen alt und krank waren, vielleicht gar nicht mehr lebten. Gleichzeitig schämte er sich, dass er das nicht wusste, nahm sich vor, ihnen zu schreiben, sobald er Zeit dazu hatte. Das Jagdmesser rutschte von der Schale der letzten Auster ab und fuhr ihm in den Handballen. Er kehrte mit einem Ruck zurück in die Wirklichkeit, in die Wärme, in seine Welt, wo es jetzt Sommer war, spürte die salzige Gischt auf seinen Lippen, sah das Grün des Küstenbuschs, das Gold des Sands, den endlosen, kristallblauen Himmel und wusste, dass diese andere Welt nicht mehr seine Heimat war. Es war lediglich der Ort, an dem er geboren wurde und den er verlassen hatte. Vor so vielen Jahren, dass er nachrechnen musste, wann.
    Er leckte den Blutstropfen von seiner Hand, schluckte die letzte Auster und warf die Schalen auf den Strand. Ein Zischen lenkte seine Aufmerksamkeit auf seine Fische. Behutsam wendete er sie, leckte die hängen gebliebenen Reste des schneeweißen Fleischs vom Löffel. Ein Blick auf die knallrot verfärbten Krustentiere sagte ihm, dass auch sie bald zur Perfektion gesotten waren. Ein Tigel mit geschmolzener Butter wäre jetzt perfekt, aber der Rest in Catherines Vorratskammer war so ranzig, dass ihn selbst die Ratten verschmäht hatten.

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