Afrika Saga 02 - Feuerwind
die Hose, die er an dem Tag, als Kikiza ihn erwischte, getragen hatte. Das eine Hosenbein hatte sie bis zur Taille aufschneiden müssen, um es ihm auszuziehen. »In deiner Hosentasche steckte eine Zeichnung. Sie ist mit Blut verschmiert, und da ich nicht wusste, ob sie wichtig ist, habe ich sie aufgehoben.« Sie kehrte mit dem Taschentuch und einem mit getrocknetem Blut verkrusteten Papier zurück. Mit spitzen Fingern reichte sie ihm beides.
Er stützte sich auf einen Arm und nickte. »Es ist mein Taschentuch.
Gott sei Dank habt ihr Inyoni gefunden. Ist er in Ordnung?«
»Er hat sich bei einem Fluchtversuch eine Wunde am Rücken geholt. Er wird für einige Zeit keinen Sattel tragen können, aber sonst geht es ihm gut.«
Stefan seufzte vor Erleichterung. »Nun zeig mal die Zeichnung.« Er glättete die Seite, runzelte die Stirn, als er die Linien betrachtete, dann lachte er, hustete, weil das noch schmerzte. »Das ist eine Schatzkarte«, sagte er. »Dahinter steckt eine lange, aufregende Geschichte. Möchtest du sie hören?«
Als Johann aus dem Zelt trat, umfing ihn tiefe Dunkelheit. Die Umrisse der Bäume standen schwarz vor dem tiefen Blau der afrikanischen Nacht. Er legte den Kopf in den Nacken und schaute hinauf in den unendlichen Sternenhimmel. Über ihm glitzerte das Kreuz des Südens. Er rieb sich mit dem Handballen die brennenden Augen. Man sah kaum die Hand vor Augen. Es war zu dunkel, um Catherine nachzureiten. Er musste bis Tagesanbruch warten.
»Bitte halte deine schützende Hand über sie«, betete er inbrünstig.
»Ich werde alles ertragen, was du mir aufbürdest, aber bitte, Gott, lass sie bei mir.« Er konnte sich nicht daran erinnern, wann er Gott das letzte Mal um Hilfe angerufen hatte.
Leise Stimmen drangen aus dem Zelt, in dem sich Maria und der junge Mellinghoff aufhielten, und ihm fiel ein, dass er noch etwas zu erledigen hatte. Mit energischen Schritten ging er hinüber. »Kann ich eintreten?«, fragte er und tat es gleich darauf. Leon Mellinghoff sprang sofort auf und stellte sich neben Maria, die auf einem Hocker saß.
Johann warf ihm einen stirnrunzelnden Blick zu. »Ich will alles wissen, von Anfang an«, blaffte er.
»Herr Steinach, lassen Sie mich …« Leon legte eine schützende Hand auf Marias Schulter.
Johann bemerkte es wohl, aber zeigte nicht, dass ihm das sehr gefiel. Dafür war es zu früh. »Ich will es von meiner Tochter hören.
Nun, was hast du mir zu sagen?«
»Ich muss mit Bartholomew anfangen«, begann Maria, ließ sich Zeit bei der Wahl ihrer Worte. »Durch ihn bekam ich den Wunsch, Medizin zu studieren, und so fing alles an.«
Sie sprach flüssig, ließ nichts Wesentliches aus, beschrieb ihre Zeit im Haus der Mellinghoffs so drollig, dass Johann sich trotz der schlimmen Ereignisse des Tages kaum ein Lächeln verkneifen konnte, und als sie die Episode mit den Herren Professoren in der Universität von Rostock anschaulich darstellte, musste er tatsächlich lachen.
Seine Miene verfinsterte sich allerdings, als sie ihren Rauswurf durch Ludovig Mellinghoff schilderte. »Er schlug mich … Ich konnte nicht eine Sekunde länger unter seinem Dach bleiben … ist schon gut, Leon«, sie legte ihre Hand auf seine, »es hat nicht sehr wehgetan, es ist nur, dass mich noch nie jemand vorher geschlagen hatte … dein Vater hat dann eine Passage auf dem nächsten Schiff gebucht…«
»Jetzt muss ich die Geschichte übernehmen«, unterbrach sie Leon, dem noch der Zorn auf seinen Vater im Gesicht abzulesen war. »Als Ihre Tochter, Herr Steinach, bei ihrer Ankunft aus der Kutsche stieg, wusste ich schon, dass ich mit ihr und keiner anderen den Rest meines Lebens verbringen wollte. Und dann erzählte sie mir von Afrika.« Ein träumerisches Lächeln huschte über sein Gesicht.
»Abgesehen davon, dass sie das wunderbarste Wesen ist, das je auf dieser Erde wandelte, hat sie ein begnadetes Talent, Geschichten zu erzählen. Sie hat mich mitgenommen in ihr Afrika, nach Inqaba …«
Johann sah ihn überrascht an, war erstaunt, wie perfekt dem jungen Deutschen der Klick gelang, und machte eine Handbewegung, die ihn aufforderte fortzufahren.
»Es gibt nicht viel mehr zu berichten. Als mein Vater Maria vor die Tür setzte, wusste ich, dass ich entweder meinem Leben ein Ende bereiten musste, weil ich nicht ohne sie leben kann, oder sie nach Afrika begleiten … Sie hat nicht geahnt, dass ich mitkommen würde, Herr Steinach. Ich musste sie täuschen, damit mein Vater nichts merkte. An
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