Ahnentanz
klingelte Aidan an Kendalls Tür. Sie öffnete in einem hellblauen Jeanskleid. Ihr Haar war besonders glatt – frisch gewaschen, vermutete er – und fiel ihr glänzend bis auf die Schultern. Er war angenehm überrascht, dass sie sich seinetwillen die Mühe gemacht hatte, zu duschen und sich umzuziehen. Er hätte ihr sagen können, dass es keine Rolle spielte, was sie anhatte, dass sie selbst in einer Mülltüte gut aussehen würde, dass sie jene natürliche Schönheit besaß, die mit oder ohne Make-up wirkte, und dass ihr Haar wunderbar aussah, egal ob sie es zusammengebunden oder offen trug. Doch er hielt sich zurück.
In ihren hochhackigen Sandalen war sie nur wenige Zentimeter kleiner als er. Sie sah königlich aus, selbst in Jeans. Ihr Parfum war dezent und erschlug einen nicht. Es war nur als Hauch wahrnehmbar, der aber in Erinnerung blieb wie eine Melodie, die einem nicht mehr aus dem Kopf ging.
„Ich hole nur noch rasch eine Jacke“, sagte sie. „Es fängt doch an, kalt zu werden.“
„Der Herbst“, sagte er.
Als sie aus dem Haus traten, deutete er auf seinen Wagen, der – wie durch ein Wunder – nur ein paar Meter entfernt stand.
„Wir fahren?“
„Ich dachte, Sie wollten an diesem Abend aus der Gegend heraus“, entgegnete er.
„Klingt gut“, gab sie zu.
Sie war wunderschön, das perfekte Date. Nur dass dies natürlich kein Date war. Sie hatte sich nur bereit erklärt, mit ihm essen zu gehen, weil er weitere Informationen von ihr wollte. Sie war höflich, doch das mochte zugleich der Tatsache geschuldet sein, dass sie irgendwie abgelenkt wirkte.
So wie er. Er musste alles über diese Sache – über sie – langsam und vorsichtig in sich aufnehmen.
„Irgendwelche Vorschläge?“, fragte er. „Ich hatte keine Gelegenheit, etwas zu reservieren.“
Sie blickte ihn stirnrunzelnd, aber mit voller Aufmerksamkeit an. „Essen Sie Sushi?“, fragte sie zweifelnd.
Er lächelte. Sie ging offenbar davon aus, dass er nichts anderes wollte als ein riesiges Stück Fleisch. „Ich esse alles“, erwiderte er.
Das entlockte ihr ein Lächeln. „Okay, tut mir leid, mögen Sie Sushi? Oder, besser gesagt, überhaupt japanisches Essen? In dem Restaurant, an das ich denke, gibt es beides. Wenn man will, wird das Essen sogar direkt am Tisch zubereitet. Was allerdings eine Unterhaltung etwas schwierig macht, weil man mit acht Leuten zusammengesetzt wird.“
„Sushi an einem Tisch für zwei ist wunderbar“, versicherte er ihr.
Sie leitete ihn auf die I-10 und zu einer Ausfahrt in Metairie. Der Parkplatz des Restaurants war fast voll. Er fragte sich, ob sie vorher hätten anrufen sollen, doch da sie nur einen kleinen Tisch brauchten, wurden sie rasch in die linke Hälfte des Restaurants geführt, wo sich kleine Nischen befanden. Eine Wand trennte sie von dem Bereich, wo die Köche eifrig ihre Fertigkeiten demonstrierten: Sie schnitten Gemüse, Fleisch und Fisch an Tischen mit eingebauten Grills.
Sie erkundigten sich höflich nach den Vorlieben des jeweils anderen und fanden diverse Sushi, die sie beide mochten, doch beim Sashimi unterschieden sich ihre Geschmäcker. Auf die Misosuppe folgte ein Salat mit Ingwerdressing. Sie beließen es beim Small Talk, bis schließlich das Sushi und das Sashimi kamen, der Eistee nachgefüllt wurde und sie vermutlich eine Zeitlang nicht mehr gestört würden.
Sie blickte ihn an und sagte: „Ich weiß wirklich nicht, was Sie von mir hören wollen. Ich denke, dass ich Ihnen alles erzählt habe.“
Er grinste sie schief an und sagte: „Ich bin mir selbst nichtsicher. Vielleicht will ich einfach nur mehr über die Geschichte der Gegend und der Plantage erfahren.“ Was so weit durchaus stimmte.
Es stimmte aber auch, dass er gerne wissen wollte, warum eine vermisste Frau Kundin in ihrem Laden gewesen war und den Abend in der Kneipe verbracht hatte, in der Vinnie spielte.
Natürlich hielt sich ihr anderer Angestellter, Mason, ebenfalls oft in der Bar auf.
So wie halb Louisiana, musste er sich eingestehen. Zumindest schien es so.
Doch soweit er wusste, gingen Cops, Gerichtsmediziner und ihr Laborpersonal nicht zu Hellsehersitzungen in Kendalls Laden.
„Sie kennen diese Gegend und die Plantage gut, warum fangen wir also nicht damit an?“, schlug er vor.
Kendall dachte nach, während sie etwas scharfe Mayonnaise auf ihre Dragon Roll strich. „Ich weiß natürlich von dem Bürgerkrieg. Oder dem Angriffskrieg des Nordens, wie die Leute hier ihn immer noch gerne
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