Airborn 01 - Wolkenpanther
untergebracht werden wollten. Als Kabinensteward hatte ich alle Hände voll zu tun, ihnen die Kabinen und Luxussuiten zu zeigen und zu erklären, wie die Waschbecken, Toiletten und die Duschen funktionierten. Nebenbei musste ich Schrankkoffer öffnen, Informationen zu den Mahlzeiten geben, die Anfangszeiten unseres Bordkinos und der Klaviervorführungen im großen Salon auf dem Oberdeck herunterrasseln und tausend andere Dinge erledigen.
»Wann legen wir endlich ab?«, fragte mich eine Dame in ihrer Kabine.
»Verzeihung, Ma'am«, erwiderte ich, »aber wir haben schon vor zwanzig Minuten abgelegt.«
Erstaunt schaute sie aus dem Fenster. »Aber ich habe gar nichts gespürt.«
»Das ist richtig, Ma'am. Die Aurora fliegt so sanft, als würde sie auf einer Wolke reiten.«
Und dann war Frühstückszeit und alle mussten ihr Essen bekommen.
Das Frühstück!
In der Küche herrschte ein lautes, geschäftiges Treiben. Sämtliche elektrischen Gerätschaften glühten und die Herde heizten wie Brennöfen und spuckten frisches Brot, Brötchen und Zimtwecken aus. Würste und Speck brutzelten in den Pfannen, Pilze und Tomaten rösteten unter dem Grill. Und die Eier! Nicht einmal in einem Hühnerstall würde man mehr Eier zu sehen bekommen als in unserer Kombüse zur Frühstückszeit, auf jede erdenkliche Weise serviert, die man sich nur wünschen konnte: pochierte Eier, Rühreier, Spiegeleier, Eier Bendikt, Omeletts.
Hätte ich nicht bereits um halb fünf an diesem Morgen ein Rippen sprengendes Frühstück verdrückt, wäre ich beim Geruch und beim Anblick all dieser Köstlichkeiten herumgerast wie ein verrückter Hund und hätte mir den Mund voll gestopft.
Küchenchef Vlad war mit seinen Köchen und Küchenhilfen schon seit Stunden zugange und damit beschäftigt, Paprika, Tomaten und Pilze für die Omelettfüllungen zu schneiden und Teig zu kneten. Bei uns an Bord wurde nur frisch zubereitetes Essen serviert, im Gegensatz zu einigen dieser Kosten sparenden Passagierschiffe, wo man praktisch seinen eigenen Proviant mit an Bord bringen musste, wollte man nicht auf halbem Weg über dem Ozean verhungern.
Die Küche befand sich auf dem Oberdeck, direkt darunter auf dem Unterdeck lag die Bäckerei. Die frischen Brötchen und Croissants kamen dampfend heiß durch den Speiseaufzug nach oben, fast schneller, als wir sie servieren konnten. Baz und Kristof hatten gemeinsam mit mir Dienst im Speisesaal der Ersten Klasse. Wir arbeiteten schon so lange zusammen, dass man bei unserem Anblick meinen konnte, wir würden fürs Ballett vortanzen. Während wir umeinander herumwirbelten, segelte das Schiff dahin, die Passagiere aßen und ließen die Gläser klingen, bestellten noch mehr Cocktails für Tisch neun und lachten, aus bloßer Freude daran, in zweihundert Metern Höhe eine Mahlzeit zu sich nehmen.
Die Arbeit im Speisesaal zählte nicht gerade zu meinen Lieblingsaufgaben als Kabinensteward. Doch an diesem Morgen lächelte ich unentwegt und bediente die Passagiere mit einem höflichen »Ja, Ma'am« und »Nein, Sir« mindestens so gut wie jeder andere, und vermutlich lag sogar eine zusätzliche Leichtigkeit in meinem Schritt – denn ich hatte die große Hoffnung, dass dies meine letzte Reise als Kabinensteward sein würde.
Es gab Gerüchte, dass Tom Bear, einer der Segelmachergehilfen, nach dieser Reise auf einem anderen Luftschiff anheuern würde. Und nach der Rettung des Heißluftballons im vergangenen Jahr hatte Kapitän Walken mir gesagt, ich hätte eine Beförderung verdient. Sobald es eine geeignete freie Stelle gäbe, wollte er mich dort einsetzen.
Sollte also Tom Bear tatsächlich das Schiff verlassen, dann würde ich Segelmachergehilfe sein, wenn die Aurora das nächste Mal den Anker lichtete.
Segelmacher!
Das war meine große Chance!
Als Segelmachergehilfe könnte ich eines Tages auch Erster Segelmacher werden, dann Steuermann, Erster Offizier – und eines Tages, vielleicht, Kapitän eines Schiffs wie die Aurora.
Natürlich waren das hochfliegende Träume.
Aber bald würde ich vielleicht Segelmachergehilfe werden.
Doch an diesem Morgen war ich immer noch Kabinensteward, und Tisch zwei verlangte mehr Pfannkuchen, die ich besser sofort holen sollte. Die Gäste an diesem Tisch schaufelten das Essen so stürmisch in sich hinein, dass ihr Besteck Funken schlug. Man hätte meinen können, dies sei ihr letztes Mahl und nicht die erste von vielen köstlichen Mahlzeiten an Bord eines Luxusluftschiffs. Falls einige der
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