Airborn 02 - Wolkenpiraten
Hal.
»Ich will nicht, dass sie auf meinem Schiff rumschnüffelt. Sie könnte in den Funkraum kommen und unsere Position raussenden. Sie könnte sich an den Motoren zu schaffen machen. Sie bleibt da drin, bis wir wieder in Paris sind.«
Wir waren zurück im Salon, alle außer Nadira. Kate sah blasser aus als sonst, aber nicht mehr grün. Am Tisch hantierte Jangbu Sherpa mit seinen Werkzeugen und versuchte, das Messinggehäuse des Senders zu öffnen. Ich konnte weder Schraubenlöcher noch eine Naht oder ein Scharnier erkennen.
»Der Sender war in meinem Gepäck, nicht in ihrem«, sagte ich. »Beweist das nicht, dass sie nichts mit Rath zu tun hat? Oder warum hatte sie ihn dann nicht selbst bei sich?«
»Vielleicht arbeitet sie ja wirklich nicht mit Rath zusammen, aber sie hat uns bereits getäuscht, und ich möchte nicht noch einmal getäuscht werden.«
»Ihr war doch klar, dass du sie nicht an Bord lassen würdest, wenn sie uns von Szpirglas erzählt hätte.«
»Aus gutem Grund. Wenn Szpirglas ihr den Schlüssel gegeben hat, können sehr wohl auch andere davon wissen. Wer sagt denn, dass sie nicht ihre eigenen schmutzigen kleinen Verbindungen hat? Wir sind weniger als einen Tag von der Hyperion entfernt. Wir finden sie, und Nadira hat vielleicht ihre eigene Bande von Gaunern bereitstehen, um uns das Schiff wegzuschnappen. Bestimmt hat sie denen schon die Koordinaten gefunkt.«
»Du nimmst das Schlimmste von ihr an«, sagte ich. »Was ist denn mit uns anderen? Warum sperrst du mich nicht ein? Das Ding war in meinem Seesack!«
»Das hab ich mir auch schon überlegt.«
»Und um sicherzugehen«, fügte ich hinzu, »sperrst du Kate und Miss Simpkins gleich auch noch mit ein. Wir könnten alle mit drinstecken.«
»Das nehme ich jetzt ganz persönlich übel!«, protestierte Miss Simpkins.
»Ich versuche doch nur, gerecht zu sein.«
»Du verteidigst sie sehr entschieden«, sagte Kate und sah mich scharf an.
Mir sank der Mut. Von allen Leuten am Tisch hatte ich zumindest von ihr erwartet, dass sie auf meiner Seite wäre. Ich wusste, dass sie keine Vorurteile gegen Zigeuner hatte, so dass mir ihre Haltung jetzt etwas rätselhaft erschien.
»Wir dürfen nicht vergessen, dass Nadira die Tochter eines berüchtigten Piraten ist«, warf Miss Simpkins ein.
»Was hat das denn damit zu tun?«
»Sei nicht so naiv, Cruse«, sagte Hal.
»Das deutet auf eine sehr schlechte Kinderstube hin«, informierte mich Miss Simpkins geziert.
»Wir sind doch keine Hunde oder Pferde«, beharrte ich hitzig. »Niemand von uns kann wählen, wo er hineingeboren wird. Es kommt darauf an, was wir selbst daraus machen.«
Hal wirkte völlig unbeeindruckt. Ich blickte Kate an. Doch sie wandte die Augen von mir ab und ich fühlte mich regelrecht geohrfeigt.
»Sie ist die Tochter eines Piraten«, sagte Hal. »Sie hatte reichlich Gelegenheiten, beeinflusst, verdorben und in alle möglichen schmutzigen Unternehmungen verstrickt zu werden.«
»Aber wir haben keinen Beweis, dass sie in irgendwelchen unsauberen Dingen steckt.«
»Matt hat Recht«, sagte Kate.
Ich warf ihr einen dankbaren Blick zu, doch sie schaute Hal an.
»Ich glaube, sie will einfach ihren gerechten Anteil von der Fracht der Hyperion «, sprach Kate weiter. »Sie will für sich einen neuen Start in ein besseres Leben. Ich mag sie.«
»Du?«, fragte ich verblüfft.
»Sogar sehr. Sie ist mutig.«
»Du hast ihren Vater umgebracht«, meinte Hal zu mir. »Wenn ich du wäre, würde ich mich fragen, ob sie nicht ein Messer hat, das speziell für deine Kehle bestimmt ist.«
Nadira war an diesem Morgen zu mir hoch ins Krähennest gekommen. Wenn sie gewollt hätte, hätte sie mir dort völlig unproblematisch den Hals aufschlitzen können. Ich hatte ja keinerlei Verdacht. Stattdessen hatte sie mich geküsst. Die Tochter des Mannes, der versucht hatte, mein Leben zu beenden. Im Kopf ging ich die Sache noch einmal durch, um sicherzugehen, dass ich wirklich verstand: Ich hatte Vikram Szpirglas’ Tochter geküsst.
»Ich glaube nicht, dass sie vorhat, mich umzubringen«, sagte ich.
»Unwahrscheinlich«, stimmte Kate zu.
Ich erinnerte mich wieder daran, wie intensiv mich Nadira über das so genannte Duell mit Szpirglas befragt hatte. Jede Einzelheit wollte sie wissen, jeden Stoß und jede Abwehr. Nachdem ich zugegeben hatte, Szpirglas nicht mit eigener Hand getötet zu haben, konnte es gut sein, dass sich ihr Zorn auf mich, wie groß der auch immer gewesen sein mochte, gelegt
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