Airframe
erlebt, daß ein FAA-Beamter auch nur die Andeutung eines Beweises vorgelegt hätte, der ihre Kritik an mir stützen könnte.«
»Sie arbeiten für Bradley King, den Anwalt?«
»Ich bin bei mehreren Rechtsstreitigkeiten in meiner Eigenschaft als Luftfahrtexperte als Zeuge aufgetreten. Ich halte es für wichtig, daß sich jemand mit Fachwissen zu Wort meldet.«
»Sie werden von Bradley King bezahlt?«
»Jeder Gutachter vor Gericht erhält eine Auslagen-und Aufwandsentschädigung. Das ist das übliche Verfahren.«
»Stimmt es denn nicht, daß Sie ein Vollzeitangestellter von Bradley King sind? Daß Ihr Büro, alles in diesem Zimmer, alles, was wir hier sehen, von King bezahlt wird?«
»Ich erhalte meine Mittel vom gemeinnützigen Institute for Aviation Research. Meine Aufgabe ist es, für mehr Sicherheit in der Zivilluftfahrt zu kämpfen. Ich tue, was ich kann, um das Fliegen für Reisende sicherer zu machen.«
»Mal ehrlich, Mr. Barker: Sind Sie denn als Experte nicht käuflich?«
»Ich habe natürlich sehr pointierte Ansichten zur Flugsicherheit. Da ist es nur natürlich, daß ich von Leuten engagiert werde, die meine Sorgen teilen.«
»Was ist Ihre Meinung in bezug auf die FAA?«
»Die FAA hat die besten Absichten, zugleich aber auch einen doppelten Auftrag; sie soll den Flugverkehr sowohl regulieren wie fördern. Die Behörde muß umfassend reformiert werden. Sie ist den Herstellern gegenüber viel zu nachsichtig.«
»Können Sie mir ein Beispiel nennen?« Das war nur ein Stichwort; sie wußte schon aus früheren Gesprächen, was er sagen würde.
Wieder machte Barker ein Statement. »Ein gutes Beispiel für diese enge Beziehung ist die Art, wie die FAA das Freigabeverfahren betreibt. Die Dokumente, die für dieses Verfahren nötig sind, werden nicht von der FAA archiviert, sondern von den Herstellern selbst. Das scheint doch kaum angemessen. So wird der Bock zum Gärtner gemacht.«
»Leistet die FAA gute Arbeit?«
»Ich fürchte, daß die FAA sehr schlechte Arbeit leistet. Das Leben amerikanischer Bürger wird grundlos Risiken ausgesetzt. Offen gesagt, ist es Zeit für eine gründliche Überholung. Ansonsten, fürchte ich, werden weiterhin Passagiere sterben, wie es in dieser Norton-Maschine passiert ist.« Er deutete - langsam, damit die Kamera auch folgen konnte - auf das Modell auf seinem Schreibtisch. »Meiner Meinung nach«, ergänzte er, »ist das, was in diesem Flugzeug passiert ist… eine Schande.«
Das Interview war beendet. Während ihre Crew zusammenpackte, kam Barker zu ihr. »Mit wem reden Sie sonst noch?«
»Jack Rogers ist der nächste.«
»Er ist ein guter Mann.«
»Und mit jemandem von Norton.« Sie sah in ihren Notizen nach. »Ein gewisser John Marder.«
»Oh.«
»Was soll das heißen?«
»Nun, Marder ist ein Dampfplauderer. Er wird Ihnen eine Menge Blabla über sogenannte ADs, Lufttauglichkeitsdirektiven, auftischen. Eine Menge FAA-Fachchinesisch. Aber Tatsache ist, daß er Programmanager bei der N-22 war. Er hat die Entwicklung dieses Flugzeugs überwacht. Er weiß, daß es da ein Problem gibt - er ist ein Teil dieses Problems.«
11 Uhr 10
Vor Norton
Nach Barkers geübter Gewandtheit war der Reporter, Jack Rogers, eine Art Schock. Er erschien in einem limonengrünen Sportsakko, das Orange County schrie, und seine karierte Krawatte moirierte auf dem Bildschirm. Er sah aus wie ein Golfprofi, der sich für ein Vorstellungsgespräch herausgeputzt hatte.
Jennifer sagte zunächst gar nichts; sie dankte dem Reporter nur fürs Kommen und stellte ihn vor den Maschendrahtzaun, mit Norton Aircraft im Rücken. Dann ging sie die Fragen mit ihm durch, und er gab ihr zögernde, kleine Antworten. Man merkte ihm an, daß er aufgeregt war und einen guten Eindruck machen wollte.
»Gott, ist das heiß«, sagte sie und drehte sich zum Kameramann um. »Wie läuft’s, George?«
»Wir sind fast soweit.«
Sie wandte sich wieder Rogers zu. Der Tontechniker knöpfte Rogers das Hemd auf, fädelte das Kabel ein und befestigte ihm das Mikrofon am Kragen. Während der Vorbereitungen begann Rogers zu schwitzen. Jennifer rief das Make-up-Mädchen, damit sie ihm den Schweiß abtupfte. Er schien erleichtert zu sein.
Die Hitze vorschützend, überzeugte sie Rogers, das Sakko auszuziehen und es sich über die Schulter zu hängen. So sehe er eher aus wie ein Journalist bei der Arbeit, sagte sie. Er ging dankbar darauf ein. Dann schlug sie ihm vor, die Krawatte zu lockern, und auch das tat er. Sie
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