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Airport-Klinik

Airport-Klinik

Titel: Airport-Klinik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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aber die Chancen hatten sich verbessert.
    »Lidokain«, sagte Hansen. »Schnell! Ein Milligramm. Und dann nochmal dreihundertsechzig Joule.«
    Das Mittel floß ein, wieder umfaßte Fritz Hansen die Elektroden-Griffe, umklammerte sie mit der Kraft der Verzweiflung, sandte ein neues Stoßgebet zum Himmel und hoffte, daß er es endlich erhören würde.
    Da geschah es: Die erste Zacke erschien auf dem Monitor, dazwischen die kleineren, die zweite – und wieder eine … Hansen und Wullemann sogen beide zur selben Zeit die Luft ein.
    Aber die Linie flachte erneut ab zum Kammerflimmern. Nochmals: Strom! Und wieder … Und da – das Herz schlug! Nach der ganzen Tortur, die der Körper durchzustehen hatte, schlug es sogar ziemlich kräftig. Zwar gab es manchmal Aussetzer, aber es setzte die Arbeit fort; der Rhythmus schien sich einzupendeln, auch der Brustkorb bewegte sich. – Und jetzt raus!
    Die Sanitäter zogen die Bahre aus dem Wagen und rannten in den OP. Wullemann lief hinterher. Fritz Hansen folgte.
    »Na, Doktor«, hörte er Wullemann keuchen, »so 'ne Zitterpartie iss doch ooch wat Schönes? Man muß ja ooch wat jegen die Routine tun. Ja, von wejen abkratzen! Den Vogel, den bringen wir janz schön wieder zum Fliejen, meinen se nicht?«
    Aber die Arbeit fing ja erst an.
    Die Wirkung des Giftes würde viele Stunden anhalten. Was der Körper aufgenommen und ins zentrale Nervensystem weitergegeben hatte, würde er selbst wieder abbauen. Das dauerte. Was jedoch noch in Magen und Darm an der Droge vorhanden sein mochte, mußte schnellstens entfernt werden. Zuerst kam indessen die Verabreichung eines Gegenmittels, das die verheerend betäubende Wirkung des gefährlichen Alkaloids minderte. Und am wichtigsten blieb es, die Atmung weiterhin sicherzustellen.
    Die Anästhesistin stand am Respirator, um den Beatmungsfluß und die Kontrolle einzusteuern.
    Hansen überlegte. Die Blaufärbung war inzwischen aus dem Gesicht gewichen, aber die Herztätigkeit war noch immer labil.
    Wullemann machte Lukrezia Bonelli Platz, die gerade mit einer Sonde kam, durch die dem Magen die Flüssigkeit zugeleitet werden konnte, die das Gift ausspülte.
    »So«, befahl Hansen, »und wenn wir das hinter uns haben, sofort Sorbit!«
    Wullemann nickte und verzog dabei den Mund. Das Sorbit würde für eine schnelle Darmentleerung sorgen.
    »Dann zieh ihm mal die Hosen runter, Luzi.« Auf den Namen Lukrezia hatte sich Fritz Wullemann nie eingelassen. Lukrezia blieb für ihn ›Luzi‹. »Sowat schaffste doch spielend. Da biste ja schon fast 'ne Spezialistin drin, oder wie seh ick dat?«
    Lukrezia Bonelli schoß ihm einen flammenden, mörderischen Zornesblick hinüber. Auch Hansen fand, daß Wullemann nun wirklich übertrieb. Wieder befühlten seine Fingerspitzen den klatschnassen Brustkorb des Patienten. Das gnadenlose Licht der Operations-Strahler enthüllte jede Einzelheit: ein muskulöser Körper, das ja, der Körper eines gut durchtrainierten Enddreißigers; die Haut allerdings von fahler Lehmfarbe. Eine Blinddarmnarbe, eine zweite Narbe am Schultergelenk, von einem Messerstich vielleicht. Die Haare dunkel vom Schweiß, an den Schläfen bereits grau. Und dann dieses etwas indianische Gesicht; breite Backenknochen, eingefallene Wangen, eingesunkene Augen.
    Hansen fühlte etwas, das er in solchen Situationen sonst nicht erlebte und das ihm der Beruf ja auch verbot: Haß! Ja, einen tiefen, von Widerwillen getragenen Zorn. Die Erinnerung hatte ein anderes Bild eingeblendet; ein anderer Körper hatte einmal dort auf dem Tisch gelegen, schmal, zart. Der Körper eines Jungen, noch keine 18 Jahre alt. Was hatten sie genäht damals! 27 Schnittwunden. Über den Tisch tropfte das Blut, und Gräfe und er setzten Stich nach Stich, zogen Knoten nach Knoten. Es wollte überhaupt nicht aufhören.
    Und dann noch die schwache Jungenstimme, die gegen die Betäubung anzukämpfen versuchte: »… da waren überall Bäume, Herr Doktor. Und die Bäume wuchsen und wuchsen, wuchsen aus dem Boden, an den Tischen, zwischen den Leuten, sogar neben dem Flipperkästen … Aber an den Ästen waren Hände. Und diese Scheiß-Hände wollten mich haben, mich schnappen, mich greifen … Da bin ich gerannt, Herr Doktor. Die Scheibe habe ich gar nicht gesehen … Ich wollte nur eines, weg, weg, weg … Es war ein richtiger Horror-Trip.«
    Um ein Haar wäre er für immer weg gewesen. Ein Glassplitter hatte ihm die Axilaris durchbohrt.
    Auch ein Horror-Trip also, doch bei dem Jungen war

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