Airport-Klinik
es nicht Kokain gewesen, sondern Heroin. Na und? Wo lag schon der Unterschied, wenn sie an irgendeinem Alkaloid krepierten?
Der Junge mit dem zerschnittenen Körper hatte alles getan, um an das Rauschmittel heranzukommen. Er hatte eingebrochen, geklaut, sich prostituiert. Selbst auf dem Airport lungerten solche armen Schweine ja herum und befanden sich in ständiger, tödlicher Gefahr.
Einer wie der hier aber, dieser Joaquin Caldas aus Kolumbien, brachte das Gift über Tausende von Kilometern von Südamerika nach Deutschland und hatte jetzt einmal Pech gehabt. Gewiß, er würde gerettet, sie würden ihn durchbringen. Zu was? Damit er es das nächste Mal wieder versuchte? So lief das doch …
Fritz Wullemann bereitete den Einlauf vor, während Lukrezia dem Bewußtlosen die Unterhose vom Körper zog.
»Ein roter Slip«, sagte Wullemann, »haste dat jesehen?«
Der Lautsprecher meldete sich. Es war die Aufnahme: »Herr Dr. Hansen! Herr Dr. Hansen! – Falls Sie einen Augenblick Zeit haben: Hier warten zwei Herren von der Polizei.«
Hansen nickte. Er warf einen Blick auf die Anzeigen. Die Werte verbesserten sich stetig.
»Bin gleich wieder da«, sagte er und verließ den Raum. Als er draußen um die Ecke des Korridors bog, wurden seine Schritte ganz langsam.
Dort an der Tür der Aufnahme: die Uniform, ein blasses Gesicht und das leuchtende Haar!
Evi …
Sie kam ihm entgegen, und die letzten Schritte, die sie trennten, rannte sie. Er breitete beide Arme aus, zog sie an sich, streichelte ihren Rücken, hielt sie fest. Er spürte, sie brauchte es. »Du warst so tapfer … alle bewundern dich.«
»Was ist mit ihm?«
»Mit wem? Der kommt durch. Solche kommen immer durch.«
»Danke«, vernahm er. Und dann noch, es war nicht viel mehr als ein Hauch: »Oh, Gott sei Dank …«
Seine Hand streichelte sie noch immer, und er wunderte sich, was dieser Mann ihr wohl bedeuten konnte? Aber war die Antwort denn schwer? Hatte sie nicht vierzig Minuten irgendwo hoch in der Luft, auf dem Boden eines Jumbos kniend, um sein Leben gekämpft, ihren Handballen gegen sein Brustbein gedrückt, ihre Kräfte bis zur Erschöpfung verausgabt und das sollte umsonst gewesen sein?
Er strich liebevoll über ihr Haar: »Es wird alles gut, glaub mir!«
Sie nickte.
»Und weißt du, was du jetzt tust, Evi?« Er warf einen Blick durch die geöffnete Tür zum Aufnahmeraum hinüber. Da saßen sie, die ›Herren von der Polizei‹. »Du nimmst jetzt den Wagen. Hier hast du den Schlüssel.«
»Welchen Schlüssel?«
»Welchen? Den zu meiner Wohnung.«
Sie sah zu ihm auf. Licht schimmerte in den müden, schönen Augen. Oh ja, sie wirkte zum Umfallen erschöpft, den Schlüssel aber steckte sie mit einer Selbstverständlichkeit ein, die ihn nun doch ein wenig enttäuschte: seinen geheiligten Wohnungsschlüssel! Die Absicherung gegen Überraschungen und andere Gefahren. Das Symbol seiner Freiheit und Unabhängigkeit. Daß er ihn ihr übergab, war immerhin eine Entscheidung. Und vielleicht eine sehr wichtige dazu. Evi aber? Was bedeutete es für Evi?
»Du fährst jetzt also, nimmst dein Bad und machst es dir so richtig schön und bequem. Leg ein paar gute Platten auf, zum Futtern gibt's sowieso reichlich. Und dann schließt du die Augen und vergißt alles, was passiert ist. Versprochen? Du wirst sehen, es geht. Und wenn du willst, rufst du mich hier an. Oder besser noch: Sobald ich ein bißchen Luft habe, melde ich mich. In Ordnung?«
»In Ordnung.«
»Na, dann jetzt ab und nach Hause!«
»Nach Hause?« Ein fragendes Lächeln blühte in ihrem Gesicht auf.
Er sah ihr in die Augen, lange und entschlossen: »Ja, Evi. – Nach Hause!«
Der eine hieß Brunner, der andere stellte sich als Inspektor Niebuhr vor.
Sie hatten sich erhoben, als Hansen die Aufnahme betrat. Er winkte sie hinüber ins Sekretariat und zog die Tür zu.
Brunner war ein großer, massiger Mann mit grauen, kurzgeschnittenen Haaren und einem offenen, sympathischen Gesicht. Er übernahm die Vorstellung: »Ich gehöre zum Flughafen-Schutzdienst, Herr Doktor. Herr Inspektor Niebuhr wiederum ist Beamter der Drogen-Fahndung.«
»Oh?« Hansen versuchte sein ironisches Lächeln niederzukämpfen. Nicht, daß er etwas gegen die Beamten des Sicherheitsdienstes hätte, schließlich wurden sie auf dem Airport wirklich gebraucht – doch meist standen sie ihm bei irgendwelchen Noteinsätzen im Wege und belästigten ihn dazu noch mit dämlichen Fragen. »Und was verschafft mir die
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