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Akte Mosel

Akte Mosel

Titel: Akte Mosel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mischa Martini
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Ferme Auberge. Das ist so eine Art Almhütte. Da kriegen wir bestimmt nachher Frühstück.« Sie drückt neben sich einen Hebel herunter, schiebt den Sitz zurück und dreht sich auf die Seite.
    Doris klappt das Seitenfenster hoch. Hier oben ist alles so weit, so frei. Eben im See hat sie gespürt, wie das Wasser sie trägt, wie sie sich fast schwerelos fortbewegte, wie groß der See war. Und jetzt, die Unendlichkeit der Berge.
    Ist das ein Zeichen? Hat sie sich bisher überhaupt schon einmal die Frage gestellt, was Freiheit bedeutet? Sie hat ihr Leben eingerichtet und keine Zeit zum Innehalten übrig gelassen. Selbst in den letzten Monaten ohne Arbeit hat sie es nicht geschafft, sich einmal grundlegende Gedanken zu machen. Immer war sie abgelenkt, hatte sie etwas zu tun, vielleicht auch, um bloß nicht ins Grübeln zu geraten.
    Das wird ihr jetzt bewußt. Die Höhenluft scheint ihr Gehirn durchgepustet und von allen Ablagerungen der letzten Jahre befreit zu haben. Ihre Gedanken sind so klar wie das Wasser des Sees. Was sie vor gerade mal 36 Stunden getan hat, ist weiter entfernt als der weiteste Punkt am Horizont. Es liegt in einer anderen Welt.
    *
    Am Wasserschiffahrtsamt schiebt Walde sein Fahrrad zum Landesteg, der unten am Wasser liegt. Vom Boot der Wasserschutzpolizei kommt ein uniformierter Schnauzbart mit dunkler Hose, hellblauem Hemd und dunkler Mütze.
    »Tag, Herr Stadler, hier ist das Foto, das Sie haben wollten.« Walde überreicht ihm einen Umschlag.
    »Guten Tag, Herr Bock, war aber nicht nötig, daß Sie sich extra herbemüht haben.«
    »Ich war sowieso mit dem Rad in der Gegend unterwegs.«
    »Darf ich Sie zu einem kleinen Ausflug einladen?«
    Walde ist überrascht: »Sie meinen …?«
    »Kommen Sie an Bord, wir nehmen Ihr Fahrrad mit, das braucht hier nicht unbeaufsichtigt herumzustehen.«
    Walde folgt dem Wasserschutzpolizisten auf das Schiff. »Wohin geht die Reise?«
    »Wohin Sie wollen, Düsseldorf, Hamburg, Rotterdam?«
    »Zurlauben würde es für’s erste auch tun. Ooh, ist das heiß hier.« Walde ist ins Steuerhaus getreten, wo ihn ein Kollege Stadlers begrüßt.
    »Das Boot ist nichts anderes als eine schwimmende Blechbüchse, in der wir von der Sonne geröstet werden«, Stadler nimmt seine Mütze ab, unter der schweißnasse Haare am Kopf kleben.
    »Und ich dachte, das würde eine Art Yachtausflug werden«, bemerkt Walde.
    »Tut mir leid, Herr Kollege, heute liegen leider keine nackten Blondinen auf dem Achterdeck, und der Schampus hat auch nicht die richtige Temperatur. Sie können aber einen Kaffee oder ein Glas Sprudel haben.«
    Die Maschine heult auf, und das Boot fährt mit erstaunlicher Beschleunigung in die Flußmitte.
    Stadler und Walde stellen sich an Deck in den kühlenden Fahrtwind.
    »Die Mosel ist mächtig gefallen«, bemerkt Walde.
    »Tiefer geht’s nicht mehr, dafür sorgen die Staustufen. Das Problem ist nur, daß der Fluß kaum mehr Fließgeschwindigkeit hat und der Sauerstoff knapp wird. Es treiben schon eine Menge toter Fische herum.«
    Stadler peilt durch sein Fernglas ein Schiff an, das ihnen entgegenkommt. Am Heck der Sarrebourg flattert eine französische Flagge.
    »Waren Sie schon mal auf so einem Kahn?«
    Walde schüttelt den Kopf.
    Stadler gibt seinem Kollegen am Steuer Zeichen, und das Boot dreht am Schubschiff bei und legt in Höhe der Kajüten an. Die Sarrebourg liegt noch tiefer als ihr Boot. Zwei Mann von der Besatzung zurren die herübergeworfenen Leinen fest. Walde folgt dem Wasserschutzpolizisten, der wieder seine Mütze aufgesetzt hat, an Bord. Im Vergleich zu dem Polizeiboot ist der Kahn riesig. Das Führerhaus sitzt hoch oben auf einer wuchtigen Metallsäule. Das ist auch nötig, sonst wäre dem Steuermann die Sicht durch die Fracht aus hochgetürmtem Kohlestaub versperrt.
    Stadler klettert ins Führerhaus, und Walde schlendert über das Achterdeck, wo hinter zwei Pkw’s Wäsche auf der Leine flattert. Er schaut durch die Fenster in holzvertäfelte Räume. Ein Matrose mustert ihn.
    Nach ein paar Minuten klettert Walde auf das Polizeiboot zurück.
    »Der muß wohl berappen, der liegt viel zu tief«, ist der Kommentar von Stadlers Kollege.
    »Ist das so wie bei Lkw’s, die nur eine gewisse Zuladungslast haben.«
    »Nicht ganz, der hier kann sogar noch mehr laden, das zeigen die Markierungen am Rumpf. Nur hat er für diesen Wasserstand zu viel geladen.«
    »Wie viel darf er denn?« fragt Walde.
    »Normalerweise 0-20 Zentimeter zwischen Kiel und Grund. Das

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