Akte Weiß: Das Geheimlabor, Tödliche Spritzen
Raum nachzusehen. Doch als er nach dem Lichtschalter langte, ließ ihn ein Instinkt erstarren. Er spürte die Gegenwart eines anderen Menschen, und er spürte, dass in der Dunkelheit Gefahr lauerte.
Entsetzt wich er zurück. Doch als er sich umdrehte, um zu fliehen, erkannte er die Gefahr hinter sich.
Eine scharfe Klinge durchtrennte ihm die Halsschlagader.
Dr. Tanaka strauchelte rückwärts in den Untersuchungsraum und riss einen Instrumentenständer um. Im Fallen bemerkte er, dass der Boden bereits schlüpfrig war von seinem Blut. Doch obwohl er sein Lebenslicht verlöschen spürte, versuchte er, seine Verletzung und die Überlebenschancen nüchtern einzuschätzen: durchtrennte Halsschlagader, Verblutung innerhalb von Minuten. Er musste so schnell wie möglich die Blutung stoppen … Taubheit kroch ihm bereits die Beine hinauf.
Es blieb ihm nur wenig Zeit. Auf Händen und Knien rutschte er zum Schrank mit der Gaze, in seinem halb bewusstlosen Zustand vom Glitzern der gläsernen Schranktüren geleitet.
Ein Schatten schob sich vor das Licht vom Flur. Dr. Tanaka wusste, dass der Eindringling auf der Türschwelle stand und ihn beobachtete. Trotzdem kroch er weiter. Er zog sich hoch und riss die Tür auf. Sterile Packungen regneten vom Bord. Blindlings riss er eine auf und presste den Packen Gaze auf die Ader.
Er sah nicht, wie die Klinge ein zweites Mal niedersauste. Als sie sich tief in seinen Rücken bohrte, versuchte er zu schreien, doch seiner Kehle entrang sich nur ein Seufzer. Dann glitt er ruhig zu Boden.
Charlie Decker lag nackt auf seinem schmalen harten Bett und hatte Angst. Durch das Fenster sah er eine grellrote Neonschrift:
The Victory Hotel.
Dass in dem Wort Hotel das t fehlte, zeigte, in welch erdrückend trostlosem Zustand es sich befand.
Er schloss die Augen, doch der Schein des Neonzeichens durchdrang seine Lider. Er drehte sich vom Fenster weg und legte sich das Kissen über das Gesicht. Der Geruch des stockigen Leinens war zum Ersticken. Er warf das Kissen beiseite, stand auf, ging zum Fenster und schaute auf die Straße hinunter. Eine Blondine mit strähnigem Haar und Minirock verhandelte gerade mit einem Mann in einem Chevy über den Preis. Irgendwo lachten Leute, und eine Musikbox spielte „It don’t matter anymore”. Der Gestank von der Straße war eine sonderbare Mischung aus verrottendem Abfall und Frangipani: der Geruch der Hinterhöfe des Paradieses. Er verursachte ihm Übelkeit. Doch es war zu heiß, das Fenster zu schließen, zu heiß zum Schlafen und zu heiß zum Atmen.
Charlie Decker ging zum Kaffeetisch und schaltete das Licht ein. Die Schlagzeile der Zeitung sprang ihn geradezu an:
Arzt in Honolulu ermordet aufgefunden.
Er spürte Schweißperlen auf seiner Brust und warf die Zeitung zu Boden. Dann setzte er sich und ließ den Kopf in die Hände sinken.
Die Musikbox verstummte einen Moment, bevor das nächste Stück mit hämmernden Gitarren- und Schlagzeugrhythmen einsetzte. Ein Sänger heulte „I want it bad, oh yeah baby, so bad, so bad …”
Charlie hob den Kopf und betrachtete Jennys Bild. Sie lächelte, wie sie es immer getan hatte. Er berührte das Bild und versuchte sich zu erinnern, wie sich ihr Gesicht anfühlte.
Schließlich öffnete er sein Notizbuch, blätterte eine leere Seite auf und begann zu schreiben:
Das haben sie mir gesagt …
Es dauert Zeit …
Das habe ich ihnen gesagt: Heilung kommt nicht durch Vergessen, sondern durch Erinnerung an dich.
Der Geruch der See auf deiner Haut.
Deine kleinen, perfekten Fußabdrücke im Sand.
In der Erinnerung gibt es kein Ende.
Und so liegst du jetzt und immer dort am Strand.
Du öffnest die Augen, du berührst mich.
Die Sonne ist in deinen Fingerspitzen.
Und ich bin geheilt.
Ich bin geheilt.
1. KAPITEL
M it sicherer Hand injizierte Dr. Kate Chesne zweihundert Milligramm Natrium Pentothai in den Infusionsschlauch. Während die blassgelbe Flüssigkeit langsam durch den Schlauch rann, sagte Kate leise: „Du wirst dich bald schläfrig fühlen, Ellen. Schließ die Augen. Entspann dich.”
„Ich fühle noch nichts.”
„Es dauert eine Minute oder so.” Kate drückte Ellen aufmunternd den Oberarm. Es waren die kleinen Dinge, die dem Patienten das Gefühl der Sicherheit gaben, eine Berührung, eine ruhige Stimme. „Lass dich treiben”, flüsterte Kate. „Denk an den Himmel … an die Wolken …”
Ellen lächelte ihr ruhig und schläfrig zu. Im gleißenden OP- Licht sah man jede Sommersprosse und
Weitere Kostenlose Bücher