Al Wheeler und die Füchsin
Es steht noch fast ein Eimer voll Martinis im
Barschrank .«
»Okay«, sagte ich.
Sie stand von ihrem Sessel auf
und ging mit steifen Beinen ins Schlafzimmer. Von Bewegungspoesie war nicht
mehr viel zu erkennen. Ich hob ihr Glas vom Teppich auf, nahm es mit zum
Barschrank und machte ihr einen frischen Drink zurecht. Wie jedes männliche
Wesen bereits im Alter von acht Jahren lernt, bedeutet die Behauptung einer
Dame, sie brauche ein bißchen Zeit, um sich das Gesicht zurechtzumachen, frei
übersetzt mindestens eine Viertelstunde. Also nahm ich mein eigenes Glas mit
hinaus auf die Terrasse, um die Aussicht zu bewundern.
Es war fast dunkel draußen, und
ein Meer von Lichtern blinkerte von der Innenstadt unten herauf. Da mir mein
Glas Gesellschaft leistete, zündete ich eine Zigarette an, damit sie dem Glas
Gesellschaft leistete. Der Verkehrslärm auf der Autostraße unten bildete eine
gedämpfte Geräuschkulisse für die Nacht, und eine schwache Brise strich über
mein Gesicht. Zum erstenmal in den letzten
achtundvierzig Stunden fühlte ich mich entspannt. Gleich darauf hörte ich ein
schwaches Geräusch im Wohnzimmer und kehrte dorthin zurück.
Marie Gallant saß auf der
Couch, den frischen Drink in der Hand, die Füße bequem untergeschlagen. Das von
der einen abgeschirmten Lampe fallende Licht machte einen warmen kleinen Teich
auf den Teppich vor der Couch und ließ das Mädchen selbst von der Taille an im
Halbschatten, so daß die prachtvoll gerundeten und mit Grübchen versehenen
Beine in allen Details hervorgehoben wurden.
»Muß ich die ganze Zeit
>Lieutenant< zu Ihnen sagen ?« fragte sie mit
leise vorwurfsvoller Stimme.
»Al genügt völlig«, sagte ich.
»Marie ebenso«, sagte sie.
»Kommen Sie und setzen Sie sich neben mich, Al. Ja?« Sie lächelte strahlend.
»Ganz plötzlich fühle ich mich einsam und ein bißchen verängstigt, und ich
möchte gern ein Stück handfester Männlichkeit in Reichweite .«
Das war die Art Aufforderung,
der ich immer sehr schnell nachzukommen pflege, noch bevor das Mädchen
Gelegenheit hat, seine Ansicht zu ändern. Infolgedessen saß ich binnen
kürzester Frist in Reichweite und hoffte, sie würde nun auch jeden Augenblick
zugreifen.
»Ich habe versucht,
herauszubringen, weshalb Steve Albard so etwas von
mir sagen sollte«, murmelte sie.
»Und ?« sagte ich in ermunterndem Ton.
»Und ich glaube, er hat einen
großen Fehler gemacht«, sagte sie scharf. »Er dachte an Clyde Radin und Virginia — daß ich Ihnen über ihre
Beziehung zueinander Bescheid sagen würde, wenn Sie mich nur genügend unter
Druck setzten. Vermutlich wußte er nicht, daß ich Ihnen das bereits gestern abend gesagt hatte ?«
»Vermutlich nicht«, sagte ich
gelassen.
»Dann steht ihm jetzt eine
große Überraschung bevor, von der er nur noch nichts weiß«, flüsterte sie
zornig. »Ich werde auspacken — und zwar, was Steve Albard anbetrifft .«
»Das klingt, als ob es recht interessant
werden könnte«, sagte ich.
»Es fängt mit Clyde Radin und dem Modeatelier
an«, sagte sie. »Ich bin seit ungefähr vier Jahren Mannequin und, wenn ich das
von mir selber behaupten darf, ein recht gutes. Aber ich hatte schon immer die
Neigung, es einmal selber mit Modeentwürfen zu versuchen. Wenn man ein Gefühl
für Kleider hat und sie die ganze Zeit vorführt, bleibt eine ganze Menge
hängen. Dann lernte ich vor etwa einem Jahr Radin kennen. Es war in Walters’ Büro. Er hatte eben Modellaufnahmen von mir machen
lassen und betrachtete die Bilder. Er hatte einen guten Werbeeinfall gehabt.
Anstatt bereits fertige Pelze vorzuführen, hatte er den Fotografen angewiesen,
einige Aufnahmen von mir, in verschiedene in ihrem Naturzustand belassene Felle
gehüllt, zu machen. Es verlieh seinen Reklamefotos eine sinnliche Note, und das
konnte nicht schaden .«
»Bei Ihrer Art Sinnlichkeit,
meine Süße, bestimmt nicht«, sagte ich respektvoll.
»Dann kam also Radin herein — es war gegen fünf Uhr nachmittags — , und wir drei unterhielten uns eine Weile über
Modeentwürfe. Als wir Walters’ Büro verlassen hatten, bat mich Radin , ein Glas mit ihm zu trinken. Wir unterhielten uns
die halbe Nacht durch. Wir waren beide ganz besessen von Modeentwürfen, und als
wir unsere Unterhaltung beendet hatten, erklärte er mir, er wolle ein eigenes
Geschäft aufmachen, und bot mir einen Job an. Ich nahm ihn an .«
Sie lachte leise. »Es war wie ein Wirklichkeit gewordener Traum — eigene Entwürfe machen!
Nicht einmal
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