Alarm auf Wolke sieben
fertig. Sie wollte ihn auf der Stelle finden. Aber die emotionale Achterbahnfahrt dieser Nacht hatte ihre Spuren hinterlassen, und so nickte sie einfach.
Schweigend gingen sie zum Auto zurück. Auf dem Weg zum Hotel fragte sie sich, ob es wirklich eine gute Idee gewesen war, mitzukommen. Ohne sie hätte John die Suche nach Jared wahrscheinlich fortgesetzt.
Als würde das nicht reichen, waren da auch noch die endlosen Schuldgefühle. Sie wusste, die Entscheidung nach England zu ziehen, war um Esmes Willen richtig gewesen, aber sie hätte darauf bestehen sollen, Jared öfter bei sich zu haben. Dann wäre er mit seinen Sorgen vielleicht zu ihr gekommen, anstatt einfach wegzulaufen. Tränen kullerten über ihre Wangen.
John sah zu ihr hinüber. „Ach scheiße.“ Er tätschelte tröstend ihr Knie. „Komm schon Schätzchen, hör auf zu weinen.“
„In Ordnung“, stimmte sie zu und musste nur noch mehr weinen.
Leise fluchend trat er aufs Gas. Kurz darauf fuhren sie in die Tiefgarage des Hotels. John stellte den Wagen ab, stieg aus und knallte die Tür hinter sich zu.
Victoria rührte sich nicht von der Stelle. Eine Sekunde später wurde die Beifahrertür geöffnet. Sie erblickte Johns gebräunte Hand.
„Komm schon“, sagte er rau.
Sie kam gar nicht auf die Idee zu widersprechen. Sie blinzelte erfolglos, um ihren verschleierten Blick zu klären, und kam sich wie ein Idiot vor. Dann nahm sie seine Hand, die ihre warm und sicher umschloss. Sie ließ sich von ihm aus dem Wagen helfen, nur um unsanft vom Sicherheitsgurt zurückgerissen zu werden.
„Na toll. Wie elegant.“ Sie seufzte, schnallte sich ab und erlaubte Rocket, sie aus dem Wagen zu ziehen. Als wäre das alles noch nicht genug, begann auch noch ihre Nase zu laufen. Sie schniefte und wühlte in ihrer Handtasche nach einem Taschentuch. Wo waren die verdammten Dinger nur? Sie schniefte wieder und hörte sich dabei an wie eine Dreijährige.
„Armes Baby“, murmelte John, legte den Arm um ihre Schultern und geleitete sie zum Fahrstuhl. „Gib mir deine Zimmerkarte.“ Er drückte sie. „Nach ein paar Stunden Schlaf sieht die Welt wieder viel freundlicher aus.“
Wie war noch das alte Sprichwort? Was dich nicht umbringt, macht dich stark? Als sie ein paar Minuten später vor der Zimmertür standen, kullerten nur noch vereinzelte Tränen über ihre Wangen. John öffnete rasch die Tür und trat zur Seite, damit sie hineingehen konnte. Er schaltete das Licht an.
Victoria marschierte direkt ins Badezimmer, holte ein Kosmetiktuch aus dem Spender an der Wand und putzte sich die Nase. Dann schloss sie die Tür, schaltete das Licht an und sah in den Spiegel. Ach du liebe Güte! Das war kein schöner Anblick. Sie war nie eine dieser Frauen gewesen, die beim Weinen schöner wurden. Sie drehte den Wasserhahn auf und spritzte sich kaltes Wasser ins Gesicht, um die roten Flecken auf ihren Wangen zu vertreiben. Sie tupfte sich sorgfältig das Gesicht ab, faltete ihr Handtuch und hängte es über den Haken.
Dann straffte sie die Schultern, hob den Kopf und marschierte aus dem Badezimmer.
John stand da, die Hände in den Taschen seiner Jeans, und sah aus dem Fenster. Sie hatte keine Ahnung, was er zu sehen versuchte, denn er hatte das Licht eingeschaltet und spiegelte sich selbst in der Scheibe. Als er sie hörte, drehte er sich um. „Alles in Ordnung?“
„Ja. Tut mir leid. Ich wollte mich nicht so gehen lassen.“
„Hey.“ Er zuckte mit den Schultern. „Das war dein gutes Recht. Es war eine ziemlich üble Nacht. Du hast dich prima gehalten.“
Es war ungeheuer tröstlich, diese Worte von ihm zu hören. Ihr Zusammenstoß mit dem Jungen hatte sie wieder an etwas erinnert, das sie zu oft vergaß: John war im Nahkampf ausgebildet. Das störte oder schreckte sie jedoch nicht. Ganz im Gegenteil: Seine Ruhe und Überlegenheit gaben ihr das Gefühl von Sicherheit.
Es war so leicht, sich in ihn zu verlieben, und das jagte ihr eine Höllenangst ein. Deswegen war sie vor sechs Jahren heimlich davongeschlichen. Er war damals nicht gut für ihr Seelenheil gewesen, und das schien sich bis heute nicht geändert zu haben. Das hatte nichts mit ihrer körperlichen Anziehungskraft zu tun. Sie blieb vor dem Schreibtisch stehen. Diesmal würde sie klüger sein und Abstand zu ihm halten.
„Es gibt eine Minibar“, sagte John und zeigte auf den Schrank hinter ihr. „Möchtest du zur Entspannung ein Glas Wein? Oder vielleicht lieber eine Tasse Tee?“
Hör auf so verdammt
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