Alasea 01 - Das Buch des Feuers
lächelte ermutigend. »Hier gibt es nichts zu fürchten, Elena.«
Er’ril, der hinter ihr ging, stieß sie sanft vorwärts. Als sie zu ihrem Onkel trat, warfen die Spiegel ein dunkles Funkeln von Laternenlicht und Bewegung zurück. Ihre eigenen Abbilder, die sich in den Spiegeln bewegten, beunruhigten Elena. Sie drängte sich näher an den Schwertkämpfer. Aus dem Augenwinkel erhaschte sie immer wieder Ausblicke auf irgendwelche Bewegungen. Ein einziger schwarzer Gang führte aus diesem Raum in andere dunkle, geheimnisvolle Gefilde.
»Wo sind wir hier?« fragte Er’ril und sprach damit Elenas Frage aus.
»Wir befinden uns an den Ausläufern der alten Ruinen.« Onkel Bol hielt die Pfeife zwischen zusammengepressten Zähnen. Der Pfeifenkopf wirkte wie ein deutender Finger. Er machte eine weit ausholende Kreisbewegung mit dem Arm, die den ganzen Raum einschloss. »Dies war in den alten Zeiten der Schule die Andachtshalle. Hierher kamen junge Weiheanwärter - in deinem Alter, Elena -, um zu meditieren und um Weisungen vom Geist Chi zu erbitten.«
Sie blickte in all die dunklen Winkel. Hausten nicht angeblich giftige Schlangen in diesen Ruinen? Sie trat noch näher zu dem Mann mit dem Schwert. »Soll ich zu Chi beten?« fragte sie im Flüsterton. »Hier?«
»Nein, Liebes, Chi ist nicht mehr da. Der Geist, dem du deine Gabe verdankst, ist ein anderer.«
»Wie das?« fragte Er’ril. Anscheinend war er nicht im Geringsten beunruhigt durch die wabernden Schatten oder die Aussicht auf die Begegnung mit Schlangen.
Auch Onkel Bol machte keinen besorgten Eindruck. Er sprach mit Er’ril, während Elena angestrengt auf Zischlaute lauschte. »Während Chi eher ein männlicher Geist war, der sich nur Männern mitteilte, glauben wir, dass der Geist, der sowohl Elena als auch Svesa’kofa ihre Kräfte verlieh, eher die weibliche Zwillingsschwester von Chi ist.« Er schwenkte die Laterne zu den Spiegeln. »Wie das Spiegelbild von Chi.«
»Aber Chi hat seine Gabe vielen Menschen zuteil werden lassen«, sagte Er’ril. »Warum sucht sich dieser Geist nur ein Mädchen aus - Elena -, um es zu seinem Instrument zu machen?«
»Darüber wurde schon viel diskutiert, zumal die Schriften von Svesa’kofa uns über diese Fragen im Unklaren lassen. Die beste Antwort, auf die sich die Schwesternschaft einigen konnte, lautet, dass Chi, wie alle Männer, seinen Samen weit verbreiten kann, sodass er viele Menschen in seine Herde einbringen konnte. Der andere Geist, der eher wie eine Frau ist, hat nur jeweils einen Samen zu einer Zeit, den er hegen und nähren kann. Dieser Samen war Svesa’kofa in der Vergangenheit - und Elena heute.«
»Dann ist dieser Samen also schwächer als Chi«, wandte Er’ril ein.
Onkel Bol sah Er’ril stirnrunzelnd an; die Spitzen seines weißen Schnauzbarts hingen herab. »Es bedarf sowohl eines Mannes als auch einer Frau, um einem Kind das Leben zu schenken. Wer ist in einer solchen Vereinigung der stärkere und wer der schwächere Teil? Das ist vergleichbar mit den zwei Seiten einer Münze.«
Er’ril zuckte mit den Schultern. »Worte für Träumer.«
»Was für ein Geist ist das?« fragte Elena, die allmählich etwas aufmerksamer zuhörte, jedoch immer noch nach Schlangen Ausschau hielt. »Woher kommt er?«
»Wir wissen noch nicht viel über ihn, mein Liebling. Ich hoffe, dass deine Tante Fila darüber etwas herausfinden wird.«
»Aber Tante Fila ist tot. Wie kann sie da noch helfen?«
Onkel Bol legte ihr eine Hand auf die Wange. »Tante Fila ist etwas ganz Besonderes. Unser Geschlecht war schon immer, auch schon vor Svesa’kofa, gesegnet mit einer einzigartigen Verbindung zu den Elementargeistern. Auch deine Mutter, Elena.«
»Meine Mutter?«
Bol nickte. »Du weißt doch, dass sie immer das Geschlecht eines Ungeborenen voraussagen konnte oder den Zeitpunkt, wann eine Kuh kalben würde.«
»Ja, die Nachbarn sind immer zu ihr gekommen.«
»Nun, das war ihre besondere Begabung.«
»Und Tante Fila hatte ebenfalls besondere Begabungen?«
»Ja, und die waren sehr stark ausgeprägt. Deine Tante Fila konnte die Magik der Elementarkräfte falten und kneten wie den Brotteig in ihrer Bäckerei. Sie war zu vielen Zaubereien fähig.«
Wieder traten Elena Tränen in die Augen, als sie an ihre Eltern, ihren Bruder und an Tante Fila dachte. »Warum musste sie sterben?«
»Pscht, meine Süße… weine nicht. Ich will dir etwas zeigen.« Onkel Bol führte sie in eine Nische zwischen zwei Säulen.
Elena
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