Alasea 01 - Das Buch des Feuers
Dismarums Stimme sagte: »Keine Angst, Rockenheim, ich fange dich wieder auf.« Lautes Lachen erklang, als er auf den Wellen aufschlug.
Rockenheim schreckte aus dem Schlaf auf; er schmeckte Blut im Mund. Seine Unterwäsche war von Schweiß durchtränkt, als ob er eine weite Strecke gerannt wäre. Er versuchte zappelnd, sich aufzurichten, aber die Stricke hielten ihn fest.
Plötzlich legte sich eine grobe Hand auf seinen Mund. Er versuchte zu schreien, aber die Hand erstickte jeden Laut.
»Sei still oder stirb«, zischte ihm jemand ins Ohr. Rockenheim spürte eine Messerklinge an der Kehle. Er hörte auf zu zappeln. Die Waffe entfernte sich von seinem Hals und schnitt die Stricke durch.
Rockenheim senkte die Arme und rieb sich die Handgelenke. Der massige Schatten des Mannes aus den Bergen ragte neben dem Bett auf. »Zieh dich an. Beeil dich!« knurrte Kral ihn an.
Er bemerkte die kleine Frau, die, vollkommen angezogen, durch das winzige Fenster hinausspähte. »Schnell!« drängte sie. »Jetzt sind beide im Haus. Der Weg ist frei. Sobald wir bei den Pferden sind, können wir sie hinter uns herziehen.«
»Was ist los?« fragte Rockenheim, während er sich das Hemd in die Hose stopfte. Er bückte sich nach seinen Stiefeln.
»Skal’ten«, antwortete Kral.
Rockenheim beeilte sich noch mehr und sprang geradezu in die Stiefel. Jetzt war kein guter Zeitpunkt, um von den Schergen des Herrn der Dunklen Mächte geschnappt zu werden. Er hatte ihnen nichts anzubieten. »Wo ist das Mädchen… und wo sind die anderen?«
Kral ging auf diese Frage nicht ein. Er schob Rockenheim zum Fenster, ohne zu verstehen, warum Ni’lahn darauf bestand, den Gefangenen mitzunehmen. Seiner Meinung nach hätte man Rockenheim den Zähnen und Klauen der Ungeheuer überlassen sollen. Aber die kleine Frau war beharrlich geblieben.
Ni’lahn öffnete vorsichtig und langsam das Fenster. Von unten tönte lautes Poltern herauf. »Glaubst du, dass sie in Sicherheit sind?« flüsterte sie.
Er blieb stumm, unsicher und zögernd, seine Angst auszudrücken. Wenn er das Kommen der Ungeheuer doch früher gespürt hätte! Kral hatte gerade noch genügend Zeit gefunden, um hinunterzurennen und die Kellertür zuzutreten, bevor das erste Skal’tum an der Tür der Kate gerüttelt hatte. Er selbst konnte soeben noch die Treppe hinauf entkommen.
»Hoffentlich bleiben sie so lange unentdeckt, bis wir die Pferde erreicht und die Ungeheuer von hier weggelockt haben!« rief Ni’lahn und stieß das Fenster auf.
»Die Kellertür ist gut getarnt.«
»Trotzdem, wir müssen uns beeilen!« Nun stand das Fenster weit auf, und sie kletterte durch die Öffnung auf das strohgedeckte Dach hinaus.
Kral hob den Gefangenen hoch und schob ihn über den Fenstersims. Der dünne Mann rollte über das Dach und wäre beinahe über den Rand gefallen. Als Nächster kroch Kral durch das Fenster, wobei er kräftig ausatmete, um seinen mächtigen Brustkorb durch den engen Rahmen zu zwängen. Sein Gürtel verfing sich für einen kritischen Augenblick an dem Sims, bevor er ihn schließlich loszerren konnte und es schaffte, auf das Dach zu gelangen.
»Das erinnert mich an eine gebärende Kuh«, bemerkte Rockenheim wie zu sich selbst. Seine frechen Worte täuschten die anderen über seine lauernd gerunzelte Stirn und die Art und Weise, wie sein Blick ständig in alle Winkel des Daches huschte, allerdings nicht hinweg.
Ni’lahn stand auf dem Rand des Daches. Der Pferdestall mit seinen schiefen Türflügeln lag nur einen Steinwurf weit von ihr entfernt. »Wir könnten von hier aus springen«, flüsterte sie. »Oder wir schleichen uns zur Rückseite des Hauses und klettern über den Holzstapel hinunter.«
Als Antwort sprang Kral von dem Dach und landete mit einem dumpfen Geräusch auf einem Haufen Tannennadeln. Er winkte die anderen zu sich herunter. Ni’lahn bedeutete Rockenheim, als Erster zu springen, da sie dem Mann offensichtlich misstraute. Er brauchte keine zweite Aufforderung. Die Schnelligkeit, mit der er zum Rand des Daches eilte, legte die Vermutung nahe, dass auch er einer Begegnung mit den Wesen entgehen wollte, die durch die unteren Räume wüteten. Er hing für einen Augenblick am Rand des Daches, dann ließ er los und landete neben Kral.
Ni’lahn schob ihren Rucksack zurecht und blickte zu den beiden hinunter. Kral trat einen Schritt vor, um sie notfalls aufzufangen. Während sie noch an der Kante zögerte, ertönte ein Krachen und Splittern aus der Schlafkammer
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