Alasea 01 - Das Buch des Feuers
endete der wilde Ritt plötzlich. Mogwied wagte es, die Augen zu öffnen. Vor ihnen lag eine kleine Lichtung. Aus Angst, das Tier werde seinen wilden Galopp wieder aufnehmen, taumelte er den Pferderücken hinab und entfernte sich ein paar Schritte weit.
Ni’lahn deutete zur Höhlenöffnung, die von den Wurzeln einer uralten Eiche verdeckt war. »Da ist die Höhle«, sagte sie zu Rockenheim, der seine Stute neben sie lenkte und anhalten ließ.
»Psscht!« gab er zurück, eine Hand warnend erhoben.
Mogwieds zitternde Beine spannten sich zur Flucht.
»Was ist?« flüsterte Ni’lahn. Mit den Augen suchte sie die Lichtung ab.
»Hör doch!« Rockenheim sprang vom Pferd und bedeutete ihr mit einer Handbewegung, dasselbe zu tun.
Mogwied strengte seine menschlichen Ohren an, so gut er es vermochte. Er hörte nichts außer dem Klatschen des Regens auf die Blätter. Selbst der Donner war verstummt. Mogwied spürte jedoch aufgrund des Luftdrucks, dass dies nur die Ruhe vor dem wahren Sturm war, der jeden Augenblick losbrechen mochte.
»Ich höre nichts«, sagte Ni’lahn, während sie die Reittiere festband. Sie sah verwirrt aus, dann riss sie die Augen weit auf. »Die Flügel! Ich höre sie nicht mehr! Lauft weg!«
Rockenheim rannte bereits.
Aber es war zu spät. Während sie alle zu der Höhlenöffnung liefen, tauchten zwei riesige Gestalten mit weit ausgebreiteten Flügeln herab, um mit Getöse direkt vor ihnen zu landen. Krallen senkten sich tief in den Schlamm und hinterließen Spuren wie von Rechenzinken.
Mogwied schrie bei ihrem Anblick laut auf und sank vor Angst auf die Knie. Zwei Paar roter Augen musterten ihn. Flügel wie schwarze Gerippe falteten sich hinter Schultern, und ein Übelkeit erregender Gestank von verfaulendem Aas verbreitete sich. Die Luft schmeckte nach Feindseligkeit. Noch nie, nicht einmal in seinen schlimmsten Albträumen, hatte er so abscheuliche Wesen gesehen.
»Kleine Mäusse, wohin huscht ihr denn sso geschwind?« zischte eines der Unwesen, während das andere, ebenfalls zischend, lachte. »Glaubt ihr etwa, ihr könntet der hungrigen Katze entfliehen?«
Inzwischen wieherten die Pferde hinter ihnen voller Entsetzen. Die Stute kämpfte gegen ihre Leine an, doch sowohl die Leine als auch der Baum hielten ihrem Toben stand. Der Hengst jedoch riss sich von seiner Leine los und stürmte quer über die Lichtung; seine Augen rollten vor Angst.
Schneller, als ein Auge es verfolgen konnte, setzte eines der beiden Ungeheuer dem fliehenden Pferd nach und schlug ihm die Klauen tief in den Rücken. Zähne und Krallen rissen ihm den Bauch auf und zerrten rote Eingeweide in den kalten Schlamm. Dann ließen die Monster von dem Tier ab, das halb tot davontaumelte und seine Eingeweide hinter sich herzog. Der Angreifer lachte bei diesem Anblick, blutigen Schaum auf den Lippen. Kaum hatte der Hengst einige schwankende Schritte zurückgelegt, den Nacken vor Schmerz gekrümmt, stürzte sich das Geschöpf erneut auf ihn und hüllte ihn mit ausgebreiteten Flügeln ein. Zum Glück verdeckten die Flügel den Anblick, wie das Ungeheuer das Pferd vollends zerfetzte. Aber die schrillen Schreie der gepeinigten Kreatur waren unüberhörbar. Mogwied hielt sich die Hände über die Ohren. In diesem Augenblick wünschte er sich, tot zu sein, damit er niemals mehr solche Laute hören müsste.
Dann plötzlich hörten die Schreie jäh auf, und das Ungeheuer ließ von seiner Beute ab. Was nun dampfend auf dem kalten Boden lag, hatte keinerlei Ähnlichkeit mehr mit einem Pferd: nur noch ein Haufen rohes Fleisch, gebrochene Knochen und zerfetzte Eingeweide.
Mogwied drückte das Gesicht an den Boden; der Inhalt seines Magens stieg ihm in der Kehle hoch. Übelkeit und Schwindel überwältigten ihn, und er erbrach. Nachdem der Brechreiz nachgelassen hatte, spürte er die roten Augen der Geschöpfe im Rücken.
»Ssiehsst du, jetzt hat wenigsstenss einer von euch gelernt, ssich vor eurem Herrn und Meisster zu verneigen«, höhnte eines von ihnen.
Das andere sprach, als Mogwied das Gesicht hob. Es war dasjenige, das das Pferd angegriffen hatte. Schwarze Flecken von Blut bedeckten sein Gesicht, und seine Reißzähne schimmerten weiß zwischen den Lippen. »Alsso, wo isst dass Kind, dass wir ssuchen?« Es deutete auf die erkaltende Masse des zerfleischten Pferdes. »Oder möchte jemand mein nächsstess Opfer ssein?«
Ni’lahn antwortete, doch ihre Worte linderten Mogwieds Angst nicht. »Wir werden euch nichts verraten, ihr
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