Alasea 01 - Das Buch des Feuers
Warnung, sich fern zu halten.
Sie hörte, wie ihr Onkel etwas murmelte. Das Beben in seiner Stimme riss sie aus ihren Gedanken. Sein Gesicht zeigte ein trauriges Lächeln, seine Augen glänzten feucht im Licht. »Ich wünschte, Fila wäre hier, um das zu sehen«, sagte er, während er Elena fest an sich zog.
Seine Worte und seine Berührung weckten in ihr die Trauer über den Verlust ihrer Lieben, eine Trauer, die sie aus ihrem Herzen verdrängt hatte - um ihre Mutter, ihren Vater, ihre Tante, ihren Bruder und in gewisser Weise sogar um sich selbst. Durch einen Tränenschleier hindurch blickte sie zur Mitte der Kammer.
Er’ril stand immer noch wie gelähmt vor der Statue, als ob er selbst zur Skulptur geworden wäre. Die Augen des Schwertkämpfers leuchteten hell im Licht, doch nicht vor Ehrfurcht oder Bewunderung: Sein Gesicht war geprägt von Entsetzen und Schrecken. Vor Elenas Augen sank er auf die Knie, bis sein Gesicht auf einer Höhe mit dem Jungen war. »Es tut mir Leid«, sagte er mit so heiserer Stimme, dass Elena die Worte kaum verstand.
Die Statue griff mit der Eisenhand nach dem Schwertkämpfer. Die metallene Faust öffnete sich, und der Junge legte Er’ril die Hand auf die Schulter. Diese Berührung jagte einen Schauder durch den Körper des Mannes. »Nein«, sagte der Junge, und seine Stimme war wie ein Windhauch, der durch eine Kristallflöte bläst. »Ich bin derjenige, dem es Leid tut. Ich habe euch allen gegenüber versagt.«
Er’ril sah, wie sich der leidende Ausdruck des Jungen vertiefte. Er war sich sicher, dass seine eigene Miene die des Jungen widerspiegelte. Er’rils Stimme klang tränenerstickt. »Ich habe dich getötet, dich mit meinem Schwert niedergemetzelt.« Vor seinem geistigen Auge erschien des Bild von Blut, das sich über das geölte Holz ergoss.
Der Griff des Jungen an seiner Schulter wurde fester, seine Stimme kräftiger. Er’ril hörte sogar den Akzent des Jungen, der seine Herkunft von der Küste verriet. »Ich habe nicht viel Zeit, um zu sprechen. Nun, da ich von dem Kristall getrennt bin, wird sich mein Geist bald auflösen. Aber wisse dies, Er’ril von Standi: Du hast nicht alles von mir getötet. Ich lebe noch. Deine Klinge hat nur das von mir weggeschnitten, was jeder gute Mensch in sich getötet sehen möchte.«
»Deine Worte ergeben keinen Sinn. Ich erinnere mich, dass du tot am Boden der Gastwirtschaft lagst.«
Kristalllippen lächelten Er’ril traurig an. »Bist du niemals hinter die Wahrheit dessen gekommen, was sich in jener Nacht ereignet hat?« Der Junge schien sich in sich selbst zurückzuziehen. »So viel Zeit ist vergangen, und so wenig Weisheit wurde gewonnen«, sagte er leise. »Ich hätte meinen Brüdern gegenüber niemals versagen dürfen.«
»Versagen? Es war der böse Verräter Greschym, der uns alle aufs Übelste hereingelegt hat. Du warst lediglich ein unschuldiger Spielball in seinen Händen.«
»Ich wünschte, es wäre so, Ritter des Ordens. Aber du täuschst dich. Greschym und dein Bruder haben sich nicht vor ihren Pflichten gedrückt. Als der Bann bewirkt und die Magik entfesselt wurde, wussten wir alle letztendlich, was von uns gefordert wurde. Anfangs dachten wir, unser Tod sei der einzige Preis. Doch als die Magik weitere Kreise zog, erfuhren wir, dass die Kosten weit höher lagen.« Der Junge drohte an seinen eigenen Worten zu ersticken. »Was ich gesehen habe, hat mich in Panik versetzt. Die anderen Magiker hielten die Stellung, während ich floh.«
Er’ril sah wieder den Kreis aus Wachs vor sich, seinen Bruder Schorkan, der vor Schreck laut brüllte, und den Jungen, der von seinem Platz in dem Kreis floh. »Was ist geschehen? Was wurde so Grauenhaftes verlangt?«
Die Stimme des Jungen wurde zu einem angestrengten Flüstern. »Damit das Buch geschaffen werden konnte, mussten wir alle Opfer bringen. Das Reine und Gute in jedem von uns musste herausgezogen und in das Buch eingebracht werden.« Die Stimme des Jungen verklang.
Er’ril schwieg weiter und wartete darauf, dass die alten Erinnerungen die Zunge des Jungen lösen würden.
»A… aber es wurde mehr verlangt. Nachdem all das Gute, das in uns gewesen war, in das Buch eingeflossen war, wollten wir nicht sterben!« Der Junge sah Er’ril an, die Augen vor Entsetzen weit aufgerissen. »Das Böse und Üble in uns wollte weiterleben.«
Bei seinen Worten durchfuhr Er’ril ein eisiger Schauder. Er erinnerte sich an Greschyms zerstörtes Gesicht in den Straßen von
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