Alasea 01 - Das Buch des Feuers
Linie Rockenheim. Der Kampf, der sich in der Mitte der Lichtung aufbaute, zog seinen Blick an.
Zwei Skal’ten hatten Elena zwischen sich eingeklemmt. Den Rücken ihr zugewandt, hielten lederne Flügel das Mädchen zwischen Falten aus Knochen und Haut gefangen und wehrten jene ab, die es retten wollten. Die Augen der Kleinen waren weit aufgerissen, und Tränen rannen ihr über die Wangen. Sie zitterte am ganzen Leib und zuckte jedes Mal zusammen, wenn ein Flügel ihr über die Haut strich. Er’ril wusste, dass die Ermordung der Kobolde ihr überaus nahe gegangen war und sie Angst davor hatte, ihre Kräfte zur eigenen Befreiung zu benutzen.
Andere bemühten sich, sie zu retten.
Den beiden Skal’ten standen drei Widersacher gegenüber.
Merik stand auf einer Seite, die Augen gerötet vor Raserei. Keine Waffe lag in seiner Hand, doch ein Lichtschein tanzte ihm über den Körper. Obwohl die Luft über der Lichtung unbewegt war, peitschten gespenstische Winde Meriks silberne Haare, die sich aus dem Zopf gelöst hatten. Der Himmel über ihm passte zu seiner Wut, und gebauschte Wolken jagten dahin, als ob sie zu ebendiesem Fleck eilten. Blitze zuckten aus den Gewitterwolken hervor und rissen speiende Münder auf, die Schwärze zum Boden spuckten. Die Morgendämmerung mochte nahe sein, doch der schwarze Himmel kündete von einer endlosen Nacht.
Auf der gegenüberliegenden Seite der Lichtung stand die zierliche Gestalt Ni’lahns mit der Schulter an eine große Ulme gelehnt, die Arme trotzig erhoben. Sie warf den Kopf zurück, als ob sie im Begriff sei, den kriegsschwangeren Himmel anzusingen. Die mächtige Ulme, die hoch über ihr aufragte, warf die Zweige in die Höhe und reckte sich ebenfalls zum Himmel empor, sodass der Baum die trotzige Pose der kleinen Nyphai nachahmte.
Neben Er’ril stand Kral, die gewaltige Axt in der Hand. Als der Donner über die Lichtung dröhnte, leuchteten seine Zähne im Licht zuckender Blitze auf, bedrohlich wie die eines Bären. Kral verlagerte seine Axt. »Jetzt werde ich meine Schande wegwaschen!« schrie er, an die beiden Skal’ten und an den Himmel gerichtet. »In eurem Blut.«
Die Skal’ten betrachteten die drei Männer. Ein beunruhigtes Raunen bewegte ihre Flügel, und ihr Lachen verebbte. Die schwarzen Lippen zogen sich zurück und entblößten weiße Fangzähne. Wütende Augen wogen den Grad der Bedrohung ab, welche von dieser kleinen Gestalt ausgehen mochte, die da so frech ihre Allgewalt herausforderte.
Bol sprach in die gespannte Stille hinein, die sich auf die Lichtung herabsenkte. Selbst der Donner, der die Zuckungen des Blitzes begleitete, hielt sein Dröhnen zurück. Er’ril wusste: Wenn der Donner das nächste Mal spräche, geschähe dies zusammen mit dem Schlachtgeheul. Bol zupfte Er’ril am Ärmel. »Die Elementarkräfte!« flüsterte er. »›Drei werden kommen.‹ So stand es geschrieben.« Er umschrieb mit ausgestrecktem Finger den Kreis der Lichtung. »Kral, Merik und Ni’lahn. Stein, Wind und das Feuer des Lebens. Drei werden kommen! Nicht zu meiner Kate, wie ich dachte - sondern hierher.«
»Drei, die sterben werden«, entgegnete Er’ril. »Sie können die dunkle Magik der Herren des Schreckens nicht durchbrechen.« Er zog sein Schwert, doch sein Arm zitterte, als er versuchte, es zu heben. Gift schrie in seinen Muskeln.
»Du und deine Bruderschaft, ihr habt die Elementarkräfte stets leichtfertig unterschätzt. Das Ergebnis steht noch nicht fest.« Bol benutzte einen einzigen Finger, um Er’rils Waffe zu senken; der Schwertkämpfer war zu schwach, um ihn daran zu hindern. »Dies ist nicht unser Kampf«, wiederholte der Alte.
Er’ril bemühte sich, die Eisenfaust in seiner Tasche mittels Willenskraft wieder zum Leben zu erwecken. Vielleicht besaß sein Phantomarm die Kraft, die seinem anderen Arm fehlte. Doch die Faust rührte sich nicht. Entweder war ihre Magik verbraucht, oder sie war der Meinung des alten Mannes.
Er’ril hörte, wie Tol’chuk hinter ihm gegen das Gewirr von Wurzeln ankämpfte. Der Og’er brüllte seine Wut laut heraus.
Er’ril umklammerte sein Schwert mit geballter Faust. In seinem Herzen hallten die Gefühle des Og’ers wider.
Auf der Lichtung begann der Kampf ohne ihn.
Ni’lahn sah, wie eines der geflügelten Ungeheuer die riesige Klaue zu der Stelle ausfuhr, wo der Elv’e stand. Oder vielmehr, wo er zuvor gestanden hatte. Die Klaue griff ins Leere, während Merik nach hinten auswich. Ni’lahn hätte schwören
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