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Alasea 01 - Das Buch des Feuers

Alasea 01 - Das Buch des Feuers

Titel: Alasea 01 - Das Buch des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Das Buch des Feuers
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Schimmern in den Augen des Baumwolfs schien seine Wärme zu Mogwied auszusenden. Unbestimmte Gefühle bildeten sich in seinem Kopf, geflüsterte Gedanken und Bilder von seinem Wolfbruder: Eine untergehende Sonne. Ein hungriger Bauch. Beine, die laufen möchten. Mogwied kannte die Bedeutung, die in diesen Bildern steckte. Ferndal warnte ihn, dass das Tageslicht schwand und dass sie vor Einbruch der Dunkelheit noch eine weite Strecke zurücklegen mussten.
    »Ich weiß«, antwortete Mogwied laut. Auch er vermochte mit dem Flüstern der Seele zu sprechen, so wie es Ferndal getan hatte, wie es alle Si’lura vermochten, aber seine Zunge brauchte Übung. In Kürze würde er unter Menschen sein, und er brauchte eine vollkommene Tarnung, wenn sie ihre Reise unbeschadet hinter sich bringen wollten. »Aber es fällt mir sehr schwer, die Heimat zu verlassen.«
    Bilder antworteten: Eine Mutterbrust, schwer mit Milch. Der Duft des Waldes, vielfältig und dicht. Gesprenkelte Schatten, von grellem Sonnenlicht weggebrannt. Auch Ferndal bedauerte es, ihre Waldheimat zu verlassen.
    Aber sie hatten keine Wahl. Der Stammesvater ihres Clans hatte es angeordnet, und seinem Wort musste man gehorchen.
    Dennoch - mussten sie wirklich auf den Befehl des Alten hören?
    Mogwied holte tief Luft und setzte seinen Rucksack am Boden ab. Er bückte sich und zog die Stiefel heraus. Am Waldrand sitzend, schlüpfte er in das Schuhwerk und zuckte zusammen, sobald die Füße in ihrem ledernen Sarg versanken. »Wir könnten doch einfach hier bleiben«, schlug er seinem Gefährten vor, und seine Stimme war kaum ein Flüstern. »Und als Gesetzlose leben.«
    Ferndal knurrte, und die Gedanken des Wolfs schossen tief in ihn hinein. Ein giftiger Baumfrosch. Ein von Algen überwucherter Teich. Eine altehrwürdige Eiche, von gelbem Mehltau zerstört. Der Wald war auch Gift für sie. Wenn sie sich den Stammesvätern verweigerten, brächte ihnen der Wald keine Freude.
    Mogwied wusste, dass Ferndal die Wahrheit sagte, dennoch loderte ein Feuer in seinem Bauch auf. »Ich weiß, Ferndal! Aber sie haben uns in die Verbannung geschickt. Was sind wir ihnen schuldig?« Seine Worte klangen leidenschaftlich und hitzig, doch den größten Teil seiner Wut hielt er in seiner Brust gefangen. Dies war ein weiterer Grund, weshalb er die Zunge zum Sprechen gebrauchte. Er wollte nicht, dass Ferndal die wahre Tiefe seiner Wut spürte.
    Ferndal hob die Pfoten und senkte drohend den Kopf. Seine Augen glühten rot. Eine Fallentürspinne. Ein Kompostkumpel, der einen anderen angreift. Eine Krähe, die ein getupftes Ei aus einem Nest stiehlt. Ferndal machte ihm immer noch Vorwürfe.
    »Ich habe nur versucht, uns von dem Fluch zu befreien«, erwiderte Mogwied. »Wie hätte ich wissen sollen, dass etwas so Furchtbares dabei herauskäme?«
    Der Wolf wandte den Kopf ab, beendete den Augenkontakt und gab damit zu erkennen, dass für ihn die Unterhaltung abgeschlossen war.
    Mogwied errötete, nicht vor Scham, sondern vor Wut. Verdammter Kerl, dachte er. Ferndal hing ihm nun schon lange genug wie ein erstickendes Joch auf den Schultern. Der Drang, den Wolf zurückzulassen und sich allein auf den Weg zu machen, um sein Glück bei der Menschenrasse zu finden, durchfuhr ihn auf erregende Weise.
    Warum brauchte er überhaupt ein eigenes Volk? Seine Leute hatten ihn stets gemieden! Vielleicht würde es ihm besser ergehen, wenn er sein Glück bei den Menschen suchte. Mogwied merkte, wie ihn seine Füße unter den Ästen des Baumes fort und in den nachmittäglichen Sonnenschein trugen.
    Er sah sich um. Frei von schützenden Bäumen war der Himmel so weit, so riesig! Mogwieds Beine hielten stolpernd inne. Er kauerte sich unter dem großen Himmel nieder. Wie ein schweres Gewicht schien er ihn zu Boden zu drücken. Er wandte sich wieder an Ferndal. »Kommst du?« Er versuchte, seiner Stimme einen kühlen Klang zu geben, doch Angst machte seine Sprache brüchig. Die Vorstellung, hinauszutreten in eine so große Welt ohne jemanden, an den er sich anlehnen konnte, erschreckte ihn. Fürs Erste brauchte er Ferndal noch - aber nur fürs Erste.
    Ferndal huschte aus dem Schatten des Waldes. Die schlitzförmigen Augen des Wolfes prüften ruhig den Horizont; der Anblick machte auf ihn keinen großen Eindruck. Er tappte einfach über den steinigen Erdboden, und die Sonnenspiegelung schuf ölige Glanzlichter in seinem Fell.
    Mogwied zog die Augen zusammen. Ferndal war stets der Gelassene, der Tapfere, der Edle.

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