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Alasea 01 - Das Buch des Feuers

Alasea 01 - Das Buch des Feuers

Titel: Alasea 01 - Das Buch des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Das Buch des Feuers
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Eines Tages, so hoffte Mogwied, würde er ihn zerbrochen sehen, und er betete, dass er die Ursache dafür sein würde.
    Mogwied sah zu, wie Ferndal lässig an ihm vorbeischritt und auf die kahlen Vorhügel zuwanderte. Den Hals immer noch leicht von dem großen Himmel weggebeugt, folgte Mogwied seinem Zwillingsbruder und verfluchte dessen kraftvolles Herz.
    Eines Tages, lieber Bruder, werde ich dich das Fürchten lehren.
     

 
     
    15
     
    Tol’chuk trug den schlaffen Körper Fen’chuas in den Armen. Er ging aufrecht, mit geradem Rücken, da er beide Arme brauchte, um den schweren Körper zu halten. Als er sich dem Dorf näherte, sah er mehrere Weibchen, die in dem dürftigen Boden nach Wurzeln gruben. Wenn sie seiner ansichtig wurden, rümpften sie die Nase voller Ekel über Tol’chuks aufrechte Haltung. Og’er benutzten gewöhnlich den Rücken und nur einen Arm, um Baumstämme oder andere schwere Gegenstände hochzuheben, und hielten sich den anderen Arm frei, um sich bei ihrem schwerfälligen Gang am Boden abzustützen. Die Frauen, die sein Anblick mit Abscheu erfüllte, bemerkten erst bei seinem Näherkommen die Last, die er bei sich trug. Dann rissen sie die Augen weit auf, ein missklingendes Wehklagen entrang sich ihren Kehlen, und sie flohen in weiten Sprüngen. Der Moschusgeruch ihrer Angst hing noch länger in der frischen Hochlandluft.
    Tol’chuk schenkte ihnen keine Beachtung, sondern trottete auf dem ausgetretenen Pfad zu den Höhlen seines Stammes weiter. Der Rücken und die Arme schmerzten vor Anstrengung, aber das war ein geringer Preis für seine abscheuliche Tat. Er hatte die schlimmste Verletzung og’rischen Gesetzes begangen, er hatte einen Angehörigen seines eigenen Stammes getötet. Während eines Krieges mochte es vorkommen, dass Og’er die Og’er anderer Stämme töteten, aber niemals die des eigenen Stammes.
    Als er sich über Fen’chuas blutige Gestalt gebeugt hatte, wollte er weglaufen, so stark war sein Gefühl der Schande. Doch wenn er es getan hätte, hätte Tol’chuk seinen toten Vater entehrt. Und seine Geburt bedeutete bereits genügend Ungemach für seine Familie. Wie hätte er dies noch durch eine derart feige Verhaltensweise verschlimmern können? Also hatte er Fen’chua aufgehoben und die Wanderung zu den heimatlichen Höhlen begonnen, entschlossen, die Bestrafung seines Stammes entgegenzunehmen.
    In einiger Entfernung, am Fuß der hoch aufragenden Granitfelsen, erkannte Tol’chuk das schwarze Loch, die Heimat seines Stammes. Es war leicht zu übersehen zwischen den Schatten, die der zerklüfteten und gekerbten Felsoberfläche anhafteten. Die Frauen hatten das Dorf bereits auf seine Ankunft vorbereitet. In der Nähe des Eingangs zu den Höhlen hatte sich eine große Gruppe von Og’ern versammelt - beinahe der gesamte Stamm; selbst die gebeugten Rücken der Alten und die scharrenden Füße der Jungen waren dabei. Ein paar Eichenknüttel, die Waffen der Krieger, stachen daraus hervor. Schweigen stand wie ein Stammesmitglied zwischen seinen Leuten. Ein Winzling zog den Daumen aus dem Mündchen und deutete auf Tol’chuk, doch bevor das Kind einen Laut von sich geben konnte, legte ihm die Amme eine große Hand über den Mund. Niemand sprach, als der Tote zwischen ihnen wandelte.
    Tol’chuk war dankbar für die Stille. Bald würde er sich wieder diesen vielen fragenden Augen ausgesetzt sehen und sein Verbrechen laut aussprechen müssen, aber zunächst hatte er sich einer Pflicht zu entledigen.
    Tol’chuks Herz pochte heftig in der Brust, und die Beine zitterten ihm. Doch er schwankte nicht vor seinem Volk, sondern schritt tapfer weiter. Wenn er zögern würde, würde er vielleicht alle Antriebskraft verlieren, und die wachsende Angst würde vollends von seinem Herz Besitz ergreifen. Also zwang er sich, einen Fuß vor den anderen zu setzen und zu seinem Zuhause zu gehen.
    Ein grobschlächtiger erwachsener Og’er durchbrach die Mauer der stillen Gaffer. Er stützte sich auf einen Arm vom Umfang eines Baumstamms und hob die Nase in den Wind, der von Tol’chuk zu ihm herüberwehte. Plötzlich erstarrte der riesige Og’er, seine Muskeln härteten sich wie ein Felsenkamm. Nach einem langen Leben in düsteren Höhlen ließ das Sehvermögen der Og’er im Alter nach, während ihr ausgeprägter Geruchssinn noch empfindlicher wurde. Der erwachsene Og’er hob das Gesicht zu den Felswänden, die ihn umgaben, und brüllte seinen Kummer hinaus; seine Schreie zerschmetterten das

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