Alasea 01 - Das Buch des Feuers
es ertrugen, mit solchem Behang herumzulaufen. Er schloss die Augen und wünschte sich durch Willenskraft eine Veränderung herbei, sehnte sich nach dem vertrauten Gefühl von geschmeidigem Fleisch und biegsamen Knochen. Doch wie gewöhnlich tat sich nichts; die menschengemäße Ausstattung behielt die Oberhand. Er fluchte mit angehaltenem Atem und öffnete die Augen, um nach Osten zu blicken. Irgendwo dort lag die Heilung für den Fluch, der sowohl auf ihm als auch auf Ferndal lastete.
Schwitzend vom mühsamen Aufstieg, blickte er sehnsüchtig zu dem kalten Schnee hinauf, der die höchsten Gipfel am Horizont bedeckte, Schnee, den nicht einmal die heiße Sommersonne hatte schmelzen können. Der Berg mit dem Namen Großer Zahn des Nordens überragte seine vielen Brüder. Die Gebirgskette aus zerklüfteten Gipfeln, die man die Zahnberge nannte, verlief von der gefrorenen Eiswüste im Norden bis zu den Ödlanden im Süden und teilte das Land in zwei Teile.
Mogwied hob die Hand, um die Augen zu beschatten, und suchte die Gipfel des südlichen Teils der Bergkette ab. Irgendwo, tausend Meilen entfernt, ragte die Zwillingsschwester des Großen Zahns des Nordens empor, der Große Zahn des Südens. Von hier aus lag der Zahn des Südens jenseits des Horizonts. Obwohl so viele Meilen die beiden Gipfel voneinander trennten, ging das Gerücht, dass jemand, der auf der Spitze des einen stand, sich mit jemandem auf dem anderen unterhalten konnte. Selbst geflüsterte Worte konnten hin- und hergeschickt werden; sie überbrückten die Entfernung.
Mogwied runzelte die Stirn über derart widersinnige Behauptungen. Er hatte sich um Wichtigeres zu kümmern als um kindische Hirngespinste. Er schlug sich die Arme um die Brust und betrachtete mit verbitterter Miene die Wand aus Gipfeln, hinter der sich das Land der Menschenrasse ausdehnte - ein Gebiet, das er aus Furcht nicht betreten wollte, obwohl er wusste, dass es sein musste.
Wolken bauten sich hinter den Gipfeln auf, verfingen sich in den Spalten, während der Wind nach Osten wehte. Die schneebedeckte Spitze des Großen Zahns war von schwarzen Wolken verdeckt, die ihn umzogen. Blitze spielten zwischen den Gewitterwolken. Wenn er und Ferndal die Zahnberge überqueren wollten, bevor der Winter seine frostige Hand auf das Land legte, mussten sie sich beeilen.
Mogwied hielt zwischen den zerzausten Bäumen und Büschen Ausschau nach seinem Bruder. Wo trieb dieser Narr sich nur wieder herum? Eine Sorge nagte an seinem Innern. Was wäre, wenn sein Bruder weggelaufen wäre und ihn in diesem öden Landstrich im Stich gelassen hätte?
Als ob er ihn gehört hätte, erschien Ferndal plötzlich am Fuß eines Felshangs. Aufgeregt, nach dem schnellen Lauf japsend, tanzte Ferndal auf den Pfoten und blickte zu Mogwied herauf, Kontakt fordernd. Mogwied öffnete sich dem Empfang einer Botschaft.
Selbst aus einiger Entfernung sah man das Leuchten in den bernsteinfarbenen Augen des Wolfs. Ferndals Gedanken flüsterten ihm in den Kopf: Der Gestank von Aas, das in der Sonne verfault. Rennende Beine, verfolgt von knirschenden Zähnen, Der Flug eines Pfeils am freien Himmel. Jäger näherten sich.
Menschen? Obwohl er selbst wie ein Mensch aussah und sehr wahrscheinlich im Lauf der langen Reise, die vor ihm lag, etwas mit Menschen zu tun haben würde, hatte es Mogwied nicht eilig, diesen Wesen zu begegnen. Insgeheim hatte er gehofft, menschlichen Augen ausweichen zu können, zumindest bis er die Zahnberge überquert hatte.
Mogwied rutschte den Felshang hinunter zu seinem Bruder. »Wo sollen wir uns verstecken?«
Rennende Beine. Weichheit, von scharfen Steinen aufgeschnitten. Ferndal wollte, dass sie wegliefen - und zwar schnell.
Mogwieds Beine schmerzten. Der Gedanke daran, durch dieses schroffe Gelände zu flüchten, lähmte seinen Willen. Er sank in sich zusammen. »Warum können wir uns nicht irgendwo verkriechen, bis sie weg sind, und dann auf den Pfad zurückkehren?«
Messerscharfe Zähne. Klauen. Geblähte Nüstern, witternd.
Mogwied straffte sich. Schnüffler! Hier? Wie das? Im wilden Wald trieben sich diese Tiere in Rudeln herum. Mit ungebändigtem Appetit benutzten die Geschöpfe ihren ausgeprägten Geruchssinn, um einsame Si’lura auszumachen und anzugreifen. Er hatte nicht gewusst, dass sich diese Tiere von Menschen zähmen ließen. »Wohin sollen wir gehen?«
Ferndal machte blitzschnell kehrt und hetzte den Pfad aufwärts, den Schwanz wie eine Fahne tragend.
Mogwied schob sich den
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