Alasea 01 - Das Buch des Feuers
Geruch von Holzrauch erfüllte. Seine Nase erschnupperte die Einladung in wohlige Wärme, und gelbes Licht flackerte hinter den winzigen Fenstern - ein zusätzlicher Willkommensgruß.
Das Pferd, das Ni’lahn und Elena trug, zog vor seinen Hengst. »Dort wohnt mein Onkel«, erklärte das Mädchen. »Anscheinend ist er zu Hause.«
Er’ril schnalzte mit den Zügeln, um sein Pferd hangabwärts zu dem Häuschen zu führen. »Hoffentlich ist er bereit, Gäste zu empfangen.«
Mit zusammengekniffenen Lippen ließ Er’ril den Blick über die Landschaft ringsum schweifen, um mögliche Fluchtwege und vorteilhafte Standpunkte für kämpferische Auseinandersetzungen abzuschätzen, falls sich die Notwendigkeit dafür ergeben sollte. Seine Ausbildung als Heerführer in den Kriegen gegen die Gul’gotha-Horden hatte bei ihm einen Instinkt für solche Dinge entwickelt, der so selbstverständlich war wie sein Herzschlag.
Er betrachtete forschend das Haus dieses ›Onkels Bol‹. Angesichts des Zustandes des Gebäudes sank Er’rils Hochachtung für den Besitzer um einiges. Es war eine elende Hütte. Moos überzog die Schindeln. Die Türflügel eines kleinen Schuppens, der neben der Kate versteckt lag, hingen verzogen in den Scharnieren. Ein kleines Gehege, das drei Ziegen beherbergte, hatte einen löcherigen Zaun mit angeknabberten Holzplanken.
Er’ril schüttelte den Kopf und erinnerte sich an den ordentlichen und ansehnlichen Hof seiner Familie in der Prärie. Er wandte den Blick den Erhebungen hinter dem Haus zu. Bröckeliges Gestein in unnatürlich geraden Linien zog sich über die Hügel der Umgebung. Vor seinem geistigen Auge erschienen die Reihen von Gängen und Schlafsälen der Ordensschule. Zerfurchte Steine legten schweigend Zeugnis ab von dem uralten Ort des Lernens.
Plötzlich flog die Tür der Kate auf, und Licht strömte heraus. Ein Mann stand da, erhellt vom Schein des Kamins. »Nun, worauf wartet ihr alle? Beeilt euch! Gleich bricht das Unwetter über uns herein.« Der Mann winkte mit einer ausholenden Geste und verschwand wieder im Innern des Häuschens.
Elena drehte sich mit betretener Miene zu den anderen um. »Mein Onkel tut sich ein wenig schwer im Umgang mit Menschen.«
»Aber zumindest scheint er uns zu erwarten«, sagte Er’ril, plötzlich wachsam lauernd.
Seine Unruhe nahm noch zu, nachdem sie die Pferde im Stall untergebracht und die Kate betreten hatten. Nach der langen Reise durch das kalte Hochland stach ihnen die Wärme, die in dem Häuschen herrschte, in die Lungen. Doch Er’ril achtete nicht weiter darauf; seine Augen waren starr auf den überladenen Tisch gerichtet. Drei große Kerzen ragten wie Inseln aus einem dampfenden Meer von Essen hervor: Scheiben von Rindfleischbraten, heiße Süßkartoffeln, eine dicke Bohnensuppe mit einem Laib Pfefferbrot, groß wie sein Kopf, Platten mit Karotten und grünem Gemüse zwischen Schalen mit herbstlichen Beeren. Sechs Tassen mit Ko’koa standen vor sechs Blechtellern.
»Nehmt Platz«, forderte der weißhaarige Mann sie auf. Er stellte Suppenschalen auf die Teller und hielt in seinem Tun inne, um Elena einen flüchtigen Kuss auf die Stirn zu geben.
»Ich habe es mit Mühe und Not rechtzeitig geschafft. Fila wäre schrecklich ärgerlich gewesen, wenn ich nicht alles so gemacht hätte, wie sie es befohlen hat.«
Elena nahm die Hand des Alten in die ihre und sprach mit sanfter Stimme: »Onkel… Onkel Bol, ich muss dir etwas Schreckliches sagen. Fila ist tot.«
Er entzog dem Mädchen die Hand und tätschelte ihr die Wange. »O ja, das weiß ich. Mach dir nichts draus. Jetzt setz dich, sonst wird alles kalt!«
Er’ril erlangte seine Sprache wieder. »Du hast Gäste erwartet?«
Der Mann kratzte sich mit einem von Tinte gefleckten Finger den Kopf. »Gäste? O nein, ich habe dich erwartet, Er’ril von Standi.«
21
Elena beobachtete, wie der Schwertkämpfer in dem Fleisch und den Süßkartoffeln auf seinem Teller herumstocherte; seine Gabel kratzte über das Blech. Elena saß neben Er’ril und fing den Blick seiner zusammengekniffenen Augen auf, der immer wieder argwöhnisch zu Onkel Bol am Kopfende des Tisches schoss. Doch Onkel Bol schenkte Er’ril keine Beachtung, sondern richtete seine Aufmerksamkeit auf Ni’lahn, die am Fuß des Tisches saß. Obwohl der Schein des Kaminfeuers ihre Schönheit zu dämpfen schien - verglichen mit ihrem Aussehen zuvor im Wald -, wandte Onkel Bol die Augen nur selten und dann nur kurz von
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