Alasea 02 - Das Buch des Sturms
die Nase dicht an seinem Teller, während Jaston in steifer Haltung neben der hübschen Frau saß, ständig bemüht, dass der Schein der Lampen nicht auf sein vernarbtes Gesicht fiel.
Die einzigen anderen Anwesenden im Speisesaal waren die Diener der Hexe, drei Sumpfjungen, bekleidet mit braunen Hosen und weißen Hemden. Das Trio beobachtete das Mahl von dem Platz neben dem knisternden Feuer aus und beäugte den Tisch wie hungrige Falken, ständig auf der Lauer, ob ein Becher nachzufüllen oder ein schmutziger Teller durch einen sauberen zu ersetzen wäre.
Schließlich begegneten die Augen der Frau Er’rils Blick. Ein heiteres Lächeln umspielte ihre Lippen. »Du quälst dich mit einer Menge Fragen herum, Mann aus der Prärie. Vielleicht sollte ich deine Geduld nicht länger strapazieren und jetzt sprechen.«
»Du schätzt mich falsch ein«, antwortete er. »Mir geht es lediglich darum, dass Elena von dem Hexenbann befreit wird. Deine Geschichte interessiert mich nicht.«
Seine schroffe Äußerung bewirkte keineswegs, dass die Erheiterung aus ihren Augen wich. »Dann willst du also gar nicht wissen, wie es kommt, dass eine Hexe in Burg Drakken lebt?«
Er sah sie ausdruckslos an.
»Nun, wenn er es nicht wissen will, ich schon«, mischte sich Mikela ein. »Cassa, wie kam es, dass du in diesem Sumpf lebst?«
Ihr Blick wanderte zu der Schwertkämpferin. »Wie ich in den Sumpf gekommen bin? Ich lebe schon immer hier. Es war vielmehr so, dass der Sumpf zu mir gekommen ist.«
Mikelas Augen verengten sich bei dieser Erklärung. »Willst du damit sagen, dass du schon hier warst, als das Land versank?«
»Sogar noch früher, fürchte ich. Ich war Lehrling der Meuchler-Gilde, schon ein Jahrzehnt vor der großen Katastrophe.«
Die am Tisch Sitzenden machten fassungslose Gesichter, und Mikela sprach aus, was alle dachten. »Dann wärst du ja über fünfhundert Jahre alt - so alt wie Er’ril. Aber das ist unmöglich … oder hält dich irgendeine Magik am Leben?«
Cassa Dar zuckte mit den Schultern. »Ich bin reich gesegnet mit Elementarmagik. Das weißt du ja, und du kennst meine Macht. Aber obwohl sie groß ist, kann sie den Lauf der Zeit und das Altern nicht aufhalten.«
»Wie hast du dann …?«
Die Hexe hielt eine Hand hoch. »Du hältst dich mit Nebensächlichkeiten auf.«
»Ja, das tut sie«, bestätigte Er’ril. Er wusste, wie er den Wahrheitsgehalt dessen, was die Hexe sagte, prüfen konnte. »Wenn es stimmt, was du sagst, dann beweise deine Worte. Zeige uns dein Meuchler-Mal.«
Er hatte erwartet, dass sie ausweichen und eine Ausflucht suchen würde, doch stattdessen beugte sie sich über den Tisch, zu einer der dicken Kerzen, und neigte den Kopf zur Seite. Sie schob den Wust Haare hinter das rechte Ohr zurück und enthüllte eine kleine Tätowierung, die einen blutigen Dolch darstellte, ausgeführt in Rot und Schwarz. Sie fuhr mit einem langen lackierten Nagel über den Schaft der tätowierten Klinge und zog dabei eine Ranke nach, die sich um den Griff wand. »Nachtschatten«, sagte sie und nannte damit den Namen der tödlichen Pflanze. »Ich war Giftmörderin.«
Er’rils Gesicht verriet seine Abscheu, was Cassa Dar nicht entging. »Gift ist nur eine von vielen Waffen«, sagte sie. »Genau wie dein Schwert oder Elenas Magik. Warum verurteilst du es so streng? Die Kunst des Vergiftens erfordert genauso viel Geschicklichkeit wie der Umgang mit deinem Schwert. Wie viel Nesselwurz braucht man beispielsweise, um einen Menschen umzubringen, und wie verhält sich diese Todesart im Vergleich zum Köpfen? Welches Mittel wirkt schnell und schmerzlos, und welches tötet langsam und qualvoll? Wie führt man eine Klinge, damit der kleinste Kratzer entweder eine eiternde Wunde hervorruft oder sofort tötet?« Sie nickte zu den ausgebreiteten Speisen hin. »Und wie bereitet man Gift zu, damit die Zunge es nicht schmeckt?«
Sie lächelte über die entsetzten Gesichter ihrer Gäste. »Keine Angst«, sagte sie. »Ich habe euch doch versichert, dass ich euch kein Leid antun werde, und mein Wort gilt. Wenn ich euch alle hätte umbringen wollen, hätte ich das auf tausend verschiedene Arten bewerkstelligen können. Also, Er’ril, wenn du damit fertig bist, mich auf die Probe zu stellen, dann können wir uns vielleicht den anstehenden Themen zuwenden.«
Er’ril war von ihrer Rede unbeeindruckt. »Noch eine Frage. Was ist mit dem Rest eurer üblen Kaste geschehen?«
Ȇble Kaste? Du bist anscheinend ein Quell von
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