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Alasea 02 - Das Buch des Sturms

Titel: Alasea 02 - Das Buch des Sturms Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Das Buch des Sturms
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jedoch. Er wusste, von wem die beiden gesprochen hatten. Die Hexe konnte niemand anders sein als seine Schwester Elena.
    Er schluchzte lautlos in seinem leeren Schädel. Seine Schwester lebte noch! Es war sehr viele Monde her, dass jemand sie erwähnt hatte. Er hatte nie erfahren, ob sie in Winterberg umgekommen oder was aus ihr geworden war. Jetzt wusste er es. Elena war frei!
    Doch so sehr ihn diese Neuigkeit auch erleichterte, so groß war die Angst, die jetzt nach seinem Herzen griff. Elena war auf dem Weg hierher! Man würde sie gefangen nehmen oder töten. Er erinnerte sich an das Versprechen, das er seinem Vater gegeben hatte, bevor er und Elena aus ihrem brennenden Zuhause geflohen waren: seine jüngere Schwester zu beschützen. Und er hatte die Absicht, dieses Versprechen zu halten. Aber wie? Er konnte nicht einmal verhindern, dass er selbst allmählich völlig verkam!
    Sein Körper schleppte sich hinter seinem Herrn her, doch im Kopf tobte er gegen die Ketten an, die ihn fesselten. Er musste einen Weg aus dieser Gefangenschaft finden und seine Schwester davon abhalten, hierher zu kommen!
     
    Greschym humpelte durch die Korridore, die zurück zu seinem Gemach führten. In seinem Geist brodelten düstere Gedanken. Wie konnte es Schorkan wagen, ihn wie einen niederen Diener herunterzuputzen? Er war einst der Lehrer dieses Mannes gewesen! Natürlich war das lange her, und sie beide waren damals andere Männer gewesen - ganze Männer, bevor die Schaffung des Blutbuches ihre Geister gespalten hatte.
    Jetzt erkannte Greschym seinen früheren Schüler kaum noch. Hatte er selbst sich ebenso stark verändert? Das glaubte er nicht. Nachdem er die Hälfte seines Geistes der Schaffung des Buches geopfert hatte, war er immer noch derselbe, nur dass er jetzt klarer denken konnte und die Sehnsüchte seines Herzens deutlicher erkannte. Er hegte jetzt keine nagenden Zweifel mehr hinsichtlich der Hingabe an seine innersten Begierden. Einst hatten Schuldgefühl und Bedauern ihm die Hände gebunden, und Trauer und Schmerz hatten seine Handlungen bestimmt. Jetzt aber wandelte er frei einher, unbelastet von hemmenden Gefühlen. Er war fähig, seinen niedrigsten Trieben freien Lauf zu lassen und seiner Lust mit seiner ganzen Energie zu frönen. Er befasste sich schamlos mit den schwärzesten Künsten, nur um zu sehen, was dabei herauskam; seine Ohren waren taub für Schreie und das Flehen um Gnade. Die Schaffung des Buches hatte seinen Geist allen geheimen Dämonen geöffnet und erlaubte es ihm, sich ihnen ohne Schuldgefühle hinzugeben, endlich sein wahres Leben zu leben. Das Buch hatte ihn befreit.
    Er fluchte still vor sich hin, während er mühsam die Treppe hinunterstolperte. Warum hatte er dann Schorkan angelogen, was den wahren Grund für sein Interesse an der Vernichtung des Buches betraf? Es ging ihm entgegen seiner Behauptung nicht darum, zu verhindern, dass die Hexe in seinen Besitz gelangte. Nein, er wollte die Vernichtung des Buches aus ganz selbstsüchtigen Gründen.
    Er spuckte auf den staubigen Boden. Er hatte gelogen, weil Schorkan ihn niemals verstehen würde. Der Narr war anscheinend zufrieden mit seinem verwundeten Geist. Und warum sollte er nicht zufrieden sein? Schorkan hatte alles. Er verfügte nicht nur über grenzenlose Macht und die Freiheit eines hemmungslosen Herzens, sondern er besaß noch etwas, was Greschym nicht hatte: Jugend.
    Schorkan alterte nicht. Seine äußere Erscheinung war immer noch die des schwarzhaarigen jungen Mannes wie zu jener Zeit, als das Buch geschaffen wurde, immer noch voll jugendlicher Kraft. Das Vergehen der Winter hatte ihn unberührt gelassen. Greschyms Körper hingegen war aufgrund einer Tücke der Magik weiter gealtert. Seine Gelenke schmerzten vor Gicht, seine Augen waren trübe vom grauen Star, und die Haare fielen aus der runzligen Kopfhaut.
    Jedes Mal, wenn Greschym Schorkan sah, wie jener hoch gewachsen und gut aussehend in seinem Turmzimmer stand, brannte sein Herz wegen dieser Ungerechtigkeit. Die Verzweiflung nagte an seiner Seele, während sein Körper verfiel. Wie Wasser, das stetig auf Stein tropft, grub sie einen immer tieferen Teich der Unzufriedenheit in seine Seele.
    Man hatte ihn aufs Übelste betrogen, und er war fest entschlossen, diese Ungerechtigkeit rückgängig zu machen. Im Laufe der Jahrhunderte hatte er sich insgeheim Kenntnisse in den schwarzen Künsten angeeignet - indem er Texte las, die in rätselhaften Zeichen verfasst waren, und an kleinen

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