Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Albspargel

Albspargel

Titel: Albspargel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günther Bentele
Vom Netzwerk:
Mechaniker beeilte sich zu sagen: »Selbstverständlich, Herr Doktor Fideler. Wird immer schlimmer mit dem Vandalismus, auch in Stuttgart. Es sind diese Ausländer.«
    Wer von den Dorfbewohnern noch Zweifel an meiner Täterschaft hatte, hielt sich dennoch fern: Eine Dorfgemeinschaft kann zu einem tödlichen Ungeheuer werden für jeden, den sie ausschließt, und ebenso für jeden, der sich für einen Ausgeschlossenen einsetzt.
    Ein Jahr zuvor war mein Onkel in Tigerfeld gestorben, vor sieben Jahren schon die Tante. Ich hatte also keine Angehörigen mehr im Dorf. Dennoch war meine Anwesenheit, wie es so schön heißt, immer wieder erforderlich, Abwicklung des Erbes, Verpachtung und Verkauf der Gebäude, Grundstücke und Äcker. Nachdem lange Zeit alles sehr herzlich und fair abgewickelt werden konnte, musste ich jetzt Erlöse akzeptieren, die »für jeden Bauern eine Schande wären«, wie mein Onkel gesagt hätte.
    Die Polizei ermittelte. Ich hatte von Anfang an ein hieb- und stichfestes Alibi vor Zeugen und kam als Täter nicht infrage.
    Übrigens konnte ich von Glück sagen, dass das Alibi so eindeutig feststand. Ich hatte mich am Abend der fraglichen Nacht in einem Lokal in Stuttgart mit drei französischen Kollegen und einem Kollegen aus meinem Institut getroffen. Wir hatten eine wissenschaftliche Sitzung gesellig verlängert bis nach eins. Amelies Tod in Tigerfeld war aber fraglos lange vor Mitternacht eingetreten. Der Verdacht wäre mir bei einem fehlenden Alibi überaus gefährlich geworden, wie mein Anwalt Dr. Wendelburg trocken feststellte.
    Vieles blieb ungeklärt. Der Tatort war draußen im Hart, eine halbe Stunde vom Ort entfernt. Wie war Amelie in der Nacht zum Tigerfelder Hart gekommen? Warum? Hatte sie mit dem Täter einen Spaziergang gemacht? Es war zwar ein kühler Abend damals, Dunst in den Senken, aber die Luft war still und angenehm rein. Oder waren sie mit einem Fahrzeug dorthingefahren? Warum ins Hart? Erst gegen Morgen war Regen aufgezogen und hatte fast alle Spuren verwischt.
    Für das Dorf war klar: Mit wem sonst sollte sie einen nächtlichen Spaziergang gemacht haben, wenn nicht mit mir? Ich fragte mich dasselbe und hatte nie eine Antwort darauf gefunden.
    Die Tigerfelder störten sich nicht daran, dass ich ihrer Ansicht nach ja Streit mit Amelie gehabt hatte. Sie sahen den Widerspruch in ihrer Theorie nicht: Wäre sie denn bei Einbruch der Nacht mit dem Mann, mit dem sie endlich Schluss machen wollte, wie es hieß, zu einem einsamen Waldrand gegangen?
    Karl Pocherd, der ja ein Motiv gehabt hätte, wurde von niemandem im Dorf verdächtigt.
    Von der Polizei blieb er nicht ungeschoren. Aber auch er hatte ein Alibi: Seine Mutter bestätigte es. Er war auswärts in Münsingen gewesen und hatte etwas auf der Außenstelle des Landratsamtes erledigt und war dann noch mit einem Freund ins Wirtshaus gegangen, was vom Freund bestätigt wurde. Es war spät geworden.
    Sogar Fritz wurde nach seinem Aufenthalt zur Tatzeit gefragt: klares Alibi.
    Die Polizei? Ich hatte kaum mehr mit ihr zu tun, nachdem mein Alibi feststand. Natürlich wurde ich oft und oft ausgefragt nach ihren Bekannten, nach Menschen, die ihr übel wollten und die es nicht gab, nach ihrem Umgang in Weingarten, nach ihren Wünschen und Zielen, nach ihrem Wesen, Fragen, die mir sehr nahegingen, die ich aber immer zu beantworten suchte. Ansonsten blieben mir die Wege der Ermittlung und die einzelnen Ergebnisse verborgen. Nur dass bis heute kein Täter gefasst worden war, das wusste ich wie jeder im Dorf.
    Ich mied Tigerfeld zwanzig Jahre lang. Ich mied es bis heute.

Der Ort, an dem Fritz Pocherd tot aufgefunden wurde, war mir vertraut. Als Kinder hatten wir dort – nicht weit vom Futterhaus meines Onkels entfernt – gespielt. Der Hügel war unsere Burg, das Holzhäuschen, das damals noch auf dem künstlichen Höcker stand, war unser Palast oder Hexenhaus. Geheimnisvoll genug durch die Tatsache, dass die Türe immer verschlossen war und noch spannender durch ein Schild mit den Worten
Streng verboten
, die ich mühsam entzifferte, und versehen mit dem Zeichen eines Blitzes.
    Der Schuss hatte Fritz Pocherd von vorn in die Brust getroffen. Aus nächster Nähe. Schmauchspuren. Der Tod musste auf der Stelle eingetreten sein. Er lag auf dem Rücken, Mund und Augen geöffnet, der Tiroler Hut war ein Stück weggerollt. Das alles wusste nach kurzer Zeit jeder zwischen Zwiefalten und Bernloch und zwischen Trochtelfingen und Marbach, dann in ganz

Weitere Kostenlose Bücher