Alex Cross 07 - Stunde der Rache
Sie zuerst nachsehen?«, bohrte sie nach. Wenn du kein so beschissener schlechter Bulle wärst.
»Inspector, ich an Ihrer Stelle würde mein Jagdfieber zügeln. Ja, stimmt, es hat mehrere seltsame Fälle in der Gegend gegeben, wo Menschen und Tiere verschwunden sind. Aber das trifft auf die meisten Städte an der ganzen Küste von Kalifornien zu. Die Kids sind eben wilder als damals, als wir jung waren. Aber ich glaube nicht, dass in Santa Cruz irgendjemand ernsthaft verletzt wird. Und ich kapiere diesen Scheiß von wegen Vampir-Hauptstadt an der Westküste überhaupt nicht. Das stimmt einfach nicht, das können Sie mir glauben. In Santa Cruz gibt's keine Vampire.«
Jamilla nickte und tat so, als teile sie seine Meinung. »Ich glaube, ich versuch's erst mal in den Bergen«, sagte sie. Conover salutierte. »Wenn Sie mit der Vampirjagd vor sieben Uhr fertig sind, rufen Sie mich an. Vielleicht könnten wir was trinken gehen. Heute ist doch Ihr freier Tag, richtig?« Jamilla nickte. »Das mache ich. Falls ich vor sieben fertig bin, Harry. Vielen Dank für Ihre Hilfe.« Arschloch !
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J amilla war wirklich stinksauer. Wer bei klarem Verstand wäre das nicht? Sie schuftete wie eine Irre in einer fremden Stadt. Jamilla parkte den Saab in der Nähe vom Metro Center in einer Seitenstraße, direkt gegenüber von der Asti Bar. Während der Fahrt hatte sie den San Lorenzo River aus den Augen verloren, aber er musste irgendwo hier sein. Auf alle Fälle konnte sie ihn riechen.
Sie war gerade ausgestiegen, als zwei Männer auftauchten. Sie kamen schnell auf sie zu und nahmen sie in die Mitte. Jamilla lief es kalt über den Rücken. Die beiden waren buchstäblich aus dem Nichts aufgetaucht. Blonde Pferdeschwänze, dachte sie. Studenten? Surfer? Hoffentlich.
Die Männer waren gut gebaut, sahen aber nicht wie Gewichtheber aus. Die Muskeln schienen ganz natürlich zu sein. Unwillkürlich kamen ihr Bilder von Eros, Hermes und Apollo in den Sinn. Männlichkeit. Gemeißelter Marmor.
»Kann ich euch irgendwie behilflich sein?«, fragte sie. »Sucht ihr den Strand?«
Der Größere der beiden musterte sie mit ungeheurer Selbstsicherheit, vielleicht war es auch Frechheit. »Das bezweifle ich«, sagte er. »Wir sind keine Surfer. Außerdem sind wir von hier. Wie ist das mit Ihnen?«
Beide hatten tiefblaue Augen, die sie irritierend durchdringend anblickten. Der eine schien nicht älter als sechzehn zu sein. Alle Bewegungen waren kontrolliert und zielbewusst. Das gefiel ihr ganz und gar nicht. Auf der Straße war niemand, der ihr hätte zu Hilfe kommen können.
»Vielleicht könnt ihr mir sagen, wo der Strand ist«, sagte sie. Sie standen so dicht neben ihr, dass sie sich körperlich bedrängt fühlte. Sie würde nicht mal ihre Waffe ziehen können. Ohne einen der beiden zu berühren, konnte sie sich nicht bewegen. Beide trugen schwarze T-Shirts, Jeans und Kletterstiefel.
»Würdet ihr ein bisschen zur Seite treten?«, sagte sie.
Der Ältere lächelte. Die Mulde zwischen Lippe und Nase war sexy. »Ich bin William, und das ist mein Bruder Michael. Suchen Sie zufällig uns, Inspector Hughes?«
O nein, o Gott! Jamilla versuchte, nach ihrer Waffe zu greifen, die in einem Holster auf dem Rücken steckte. Da packten die beiden zu und nahmen ihr die Pistole weg, als sei sie ein dummes Kind. Jamilla war verblüfft, wie schnell sie sich bewegt hatten. Blitzschnell drückten die beiden sie aufs Pflaster und legten ihr Handschellen an. Woher hatten sie die Handschellen? Aus New Orleans? Von der ermordeten Polizistin? Wieder sprach der Ältere. »Wenn Sie schreien, Inspector, breche ich Ihnen das Genick«, sagte er völlig beiläufig. Dann beugte sich der andere herunter, bis er dicht vor ihrem Gesicht war. Sie sah die langen spitzen Fänge. »Wenn Sie Vampire jagen, werden die Vampire Sie jagen«, sagte er.
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S ie war geknebelt. Dann warf man sie unsanft auf den Rücksitz eines Pickups, der mit einem Satz anfuhr.
Jamilla versuchte, sich während der Fahrt auf alles zu konzentrieren. Sie zählte Sekunden und merkte sich die Minuten. Langsame Fahrt in der Stadt, dann schneller, vielleicht auf der Route 1.
Danach eine sehr holprige Straße, möglicherweise nicht asphaltiert. Ihrer Berechnung nach dauerte die Fahrt vierzig Minuten.
Man trug sie in ein Gebäude, eine Art Farmhaus oder eine Scheune. Menschen lachten. Über sie? Sie trugen Fänge. O Gott! Man legte sie auf eine Pritsche in einem kleinen Raum und entfernte den
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