Alex Delaware 25 - Tödliche Lektion
wiegen.«
»Ganz genau. Darf ich fragen, wie alt Ihrer geworden ist?«
»Er ist uns damals zugelaufen, deshalb weiß ich es nicht genau. Aber ich schätze, zwölf bis dreizehn Jahre.«
»Dreizehn wäre großartig. Angeblich werden manche sogar noch älter.«
»Wie heißt er?«
»Herbie.«
»Hey, Herbie.« Ich bückte mich und rubbelte seinen breiten, knubbeligen Kopf. Herbie schnaufte, fasste sich wieder und warf sich in Pose.
Milo sagte: »Kennen Sie zufällig einen jungen Mann, der in dem Gebäude wohnt? Trey Franck?«
Die Frau warf ihm einen argwöhnischen Blick zu. Milo zeigte ihr seinen Dienstausweis.
»Polizei? Trey ist so ein netter Junge.«
»Er hat nichts ausgefressen. Wir brauchen nur einige Auskünfte von ihm.«
»Ist er ein Zeuge?«
»Möglicherweise.«
»Wow«, sagte sie. »Leider wohnt er nicht mehr hier. War jahrelang in Harvard und ist vielleicht immer noch dort.«
»Wer wohnt hier?«
»Seine Eltern. June ist Krankenschwester und Joseph eine Art Wissenschaftler. Ein bisschen unnahbar, aber alles in allem nett. Beide machen viele Überstunden.«
Herbie schnaubte. Seine Lefzen bebten. Er zerrte an der Leine.
»Der Boss braucht seinen Spaziergang«, sagte die Frau. »Tschüss.«
Herbie zog sie in Richtung Wilshire Boulevard zu einem munteren Spaziergang, der darauf hindeutete, dass das Leben wirklich wunderbar war.
»Im Berufsverkehr nach Pasadena fahren«, sagte Milo. »Da habe ich eine bessere Idee. Lass uns sicherheitshalber erst im Büro vorbeischauen, dann im Valley. Wäre doch Zeitverschwendung, wenn wir einem netten Jungen nachstellen, solange er nicht derjenige ist, den Doris gesehen hat.«
Er steckte Trey Francks Foto in einen Schuber mit Bildern von fünf anderen jungen weißen Männern, dann wagte ich mich auf den Beverly Glen und fuhr in Richtung Van Nuys Boulevard.
Am Sunset Boulevard staute sich der Verkehr, so weit das Auge reichte. Als ich mich der Straße näherte, die zu meinem Haus führte, sagte Milo: »Geh heim. Ich hole meine Karre und mache alleine weiter.«
»Nicht nötig.«
»Willst du unbedingt noch eine gute Tat vollbringen?«
»Ich bin einfach nur neugierig.« Ich rief Robin an und bat sie, nicht mit dem Abendessen auf mich zu warten, weil ich womöglich eine Weile am Caltech sein würde.
»Du hast dein Diplom doch längst in der Tasche«, sagte sie.
»Ich versuche es jetzt mal mit chemischer Verfahrenstechnik.«
»Und ich dachte, es würde ausreichen, dass die Chemie zwischen uns stimmt.«
»Vielleicht kann ich da ja noch was lernen.«
Kurz nach sechs hielt ich vor dem Fat Boy. Die Hälfte der Barhocker und Nischen war besetzt. Es roch nach wie vor nach siedendem Öl.
Doris bediente eine Horde ausgelassener Latinokids und lud ein Tablett voller gebratener Speisen ab. »Keine Chance, zu viel zu tun, ich darf nicht aus dem Rhythmus kommen.«
Wir blieben seitlich stehen. Als sie fertig war, lief sie an uns vorbei, und wir trotteten hinterher.
»Jetzt reicht’s! Ich hab euch alles erzählt, was ich weiß.«
»Wenn Sie sich zwei Sekunden lang ein Bild anschauen, sind wir wieder weg.«
»Wenn es drei Sekunden werden, verlange ich Trinkgeld.«
Milo zeigte ihr die Fotos. Mit dem stumpfen Zeigefingernagel tippte sie auf das Bild von Trey Franck. »Das ist er, zufrieden?«
»Absolut. Ich bin sogar bereit, Ihnen dafür Trinkgeld zu geben.« Er griff in seine Hosentasche.
»Beleidigen Sie mich nicht«, sagte Doris. Dann lachte sie und boxte ihn leicht an die Schulter. »Ich komm euch doch bloß so kratzbürstig, weil das meine Art ist, Jungs. Mal ehrlich, ist der Kleine da ein gefährlicher Krimineller?«
»Bislang nicht.«
»Aber möglicherweise.«
»Nicht einmal das, Doris.«
»Sie wollen mich bloß neugierig machen«, sagte sie. »Wenn Sie diesen Fall jemals lösen, kommen Sie zurück, dann kriegen Sie von mir was zu essen für jedes blutige Detail.« Ein weiterer Boxhieb. »Aber Trinkgeld müssen Sie trotzdem geben.«
18
Milo war am Telefon, als ich auf den Freeway fuhr.
Am Caltech war längst Feierabend, aber er versuchte es noch einmal im Fachbereich für chemische Verfahrenstechnik. Die gleiche Bandansage.
»Die jagen eindeutig irgendwas in die Luft.«
Die Verkehrszulassungsstelle gab uns die Adresse von Tremaine L. Franck durch, der zwei Blocks vom Campus entfernt wohnte. Fünfundvierzig Minuten später hielten wir vor einem Gebäude mit sechs Wohneinheiten, das durch zwei blühende Magnolienbäume aufgehübscht wurde, aber
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