Alexander der Große
Ptolemaios zurückgeht. 39 Seine Darstellung zeigt einen ganz rational handelnden Alexander:
Die persische Königsburg brannte er trotz des von Parmenion erteilten Ratschlages nieder, er solle sie doch erhalten, und
im übrigen sei es kein schöner Zug, kaputtzumachen, was bereits sein eigener Besitz sei. Auch würden ihm die Einwohner Asiens
nicht mehr so viel Sympathie entgegenbringen, müsse er ihnen auf diese Weise doch nicht so sehr wie ein wirklicher Herrscher
Asiens, sondern vielmehr lediglich als ein Eroberer erscheinen, der in ihr Land eingefallen sei. Er antwortete jedoch, er
wolle sich an den Persern dafür rächen, dass sie auf ihrem Zuge nach Athen Hellas zerstörten und die Heiligtümer niederbrannten
sowie für alles, was sie sonst noch den Griechen antaten – dafür gelte es, die Strafe zu vollziehen.
|50| Die Forschung ist sich nicht einig, welche Fassung sie präferieren soll. Unzweifelhaft ist die Geschichte von der Hetäre Thais
etwas, das in erster Linie zum Erzählen bei abendlichen Gastmählern diente, die ruhiger verliefen als das von Persepolis.
Die Quintessenz der Geschichte liegt auf der Hand. Eine Bürgerin aus dem gebrandschatzten Athen rächte ihre von Xerxes heimgesuchte
Stadt. Andererseits ist auch der Rat des Parmenion wohl erfunden; zu diesem Zeitpunkt erteilt, war er ein Anachronismus. Eine
Legende ist sicherlich, Alexanders Ziel sei es von Anfang an gewesen, Persepolis niederzubrennen. Das stammt aus der panhellenischen
Ideologie des Kallisthenes.
Letztlich spitzt sich alles auf die Frage zu, ob Alexander spontan handelte oder aus Kalkül. Arrian sieht meist das Letztere,
und so entscheidet er sich für die Fassung des Ptolemaios, der die Geschichte mit Thais nicht erzählen konnte, denn spätestens
nach Alexanders Tod wurde sie seine Geliebte. In allen Fassungen ist davon die Rede, dass Alexander die Tat bald bereute.
So lässt sich nicht einmal erkennen, ob die Version vom nächtlichen Bankett ihn wegen Trunkenheit entschuldigen oder gerade
diese anprangern soll. Wer Alexander stets rational handeln sieht, wird Arrian glauben, doch ist die Alexandergeschichte –
und das macht auch ihren Reiz aus – voll von affektbeladenen Handlungen.
Archäologische Untersuchungen, denen zufolge der Palast vor dem Brand leergeräumt wurde, helfen nicht weiter. Alexander höchstpersönlich
hatte die ganzen Schätze der Perserkönige an sich gerafft und alsbald abtransportiert. Was an Wertvollem noch übrig war, wurde
bei den Plünderungen eine Beute der Soldaten. Wenn Alexander den Palast planvoll abbrannte, brauchte er ein aktuelles Motiv.
Der panhellenische Racheakt taugte dazu nicht. So wird vermutet, er habe mit der Zerstörung eines persischen Symbols den unerwartet
wieder erstarkten Widerstand des Gegners brechen oder zumindest schwächen wollen. Das mag sein, aber es war das falsche Signal.
Die eigenen Truppen konnten es als Abbruch des Feldzuges und Beginn der Heimkehr missverstehen, den Persern zeigte es, dass
ein Eroberer kam, nicht aber ein Nachfolger des Dareios.
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|51| Feinde und Narren – Die Legende vom königlichen Trinker
Über das Hofleben Alexanders ist wenig bekannt. Das Werk des Eisaggeleus Chares, der die besten Kenntnisse hatte, ist bis
auf wenige Fragmente verloren, die Historiker interessierten sich mehr für Eroberungen und Kriege. Daneben blühte freilich
der Klatsch, für Anekdoten und farbenreiche Schilderungen von Exzessen war das griechische und später das römische Publikum
durchaus empfänglich. So fällt es heute schwer, seriöse Nachrichten von denen zu trennen, die sich nur deren Schein gaben.
Alexanders Alkoholkonsum wurde bald zum Politikum, und schon zu seinen Lebzeiten wurde um dessen Auswirkungen gestritten,
am Hof heimlich, in Griechenland offen. Noch 323 stellte der Athener Demades in der Volksversammlung den Antrag, Alexander
als „neuen Dionysos“ zu verehren, vielleicht eine gezielte Provokation, vielleicht auch der Versuch, in der Frage der damals
vom König geforderten göttlichen Ehren auf dessen Wünsche einzugehen.
Während die romanhafte Überlieferung Alexanders Treiben nüchtern sah, ereiferte sich die moderne Wissenschaft. Der große Biograph
Tarn sah „Feinde und Narren“ am Werk, die Alexander Übles wollten, der Begründer der kritischen Geschichtsschreibung, Barthold
Georg Niebuhr, hielt dagegen die einschlägigen Quellen für glaubhaft:
Für alles
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