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Alexander Gerlach - 05 - Echo einer Nacht

Titel: Alexander Gerlach - 05 - Echo einer Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Burger
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zusammenarbeiten, die etwas von ihrem Job verstehen.«
    Ich berichtete von Pretorius’ Behauptung, der unbekannte Zeuge habe sich bereits Anfang August an uns gewandt und seine Aussage gemacht.
    »Wie?«, wollte Vangelis wissen. »Telefonisch? Schriftlich? Anonym oder offen?«
    Ich zuckte die Achseln. »Vermutlich spinnt er sich nur irgendwas zusammen, um an die Belohnung zu kommen. Alles, was er ausgesagt hat, kann er aus der Zeitung wissen.«
    »Bis auf den Rucksack«, warf Vangelis ein.
    »Den außer ihm keiner gesehen hat«, knurrte Balke. »Ich glaube, dieser saubere Herr Pretorius hat seinen Zeugen schlicht und ergreifend erfunden. Geht doch ganz easy: Irgendein Penner wird zum Notar geschleppt, sagt ein auswendig gelerntes Sprüchlein auf, unterschreibt irgendeinen Wisch und wird anschließend mit ein paar Scheinen in der Tasche in den nächsten Zug gesetzt.«
    »Es wäre ja leider nicht das erste Mal, dass bei uns eine Aussage verschlampt wird«, gab ich zu bedenken. »Das passiert schon mal, wenn der Fall heiß ist und pausenlos alle Telefone klingeln.«
    Mit den Händen auf dem Rücken trat ich ans Fenster. Der Wind hatte zugenommen. Die Blätter an den Bäumen wurden weniger und weniger. Die Sonne würde sich heute wohl nicht mehr blicken lassen.
    »Fragen Sie jeden, der am fraglichen Tag Dienst hatte«, sagte ich und wandte mich um. »Ich werde ihn nicht anschreien. Oder höchstens ein kleines bisschen. Ach was, ich will seinen Namen gar nicht wissen. Jeder baut mal Mist. Ich will nur, dass dieses Protokoll gefunden wird. Je schneller, desto besser. Wir müssen Pretorius den Wind aus den Segeln nehmen. Und wir brauchen jetzt dringender denn je einen Erfolg.«
    Die beiden sprangen auf und ließen mich allein. Ich machte mich wieder an meine Akten. Es gelang mir jedoch kaum noch, mich zu konzentrieren, und ich kam nur schleppend voran. Irgendwann klopfte es, und Sönnchen streckte den Kopf herein.
    »Da wäre jemand für Sie, Herr Kriminalrat.«

6
    Natascha Sander war das, was Sven Balke eine »Wow-Frau« nannte. Dabei war sie aus der Nähe betrachtet nicht einmal wirklich schön. Gundrams Mutter blühte offenbar erst im Auge der Kamera auf. Sie beeindruckte durch ihr Selbstvertrauen, ihre atemberaubende Präsenz und diese natürliche Eleganz der Bewegungen, die man nicht lernen kann. Zu einer gewollt lässig wirkenden schwarzen Jeans trug sie provozierend schlichte flache Schuhe und ein blassgrünes Shirt, das sicherlich aus einer Nobelboutique stammte. Den dünnen, beigefarbenen Kaschmirpullover hatte sie nachlässig über die Schultern geworfen, die exakt die richtige Breite hatten.
    Sie kam nicht allein. Der Mann, der sie begleitete, war ein Kaugummi kauender, dürrer Schlacks von vielleicht fünfundzwanzig Jahren. Er trug einen nietenübersäten Jeansanzug zur betont gelangweilten Miene.
    Ich erhob mich, um den beiden die Hand zu reichen, aber sie blieben drei Schritte vor mir stehen. Ich wies auf die Besucherstühle, aber sie ignorierten meine Geste.
    »Warum wollen Sie uns vernichten?« Ihr slawischer Akzent, den sie manchmal vor Kameras so wirkungsvoll einsetzte, war heute kaum wahrzunehmen. »Was haben wir Ihnen getan?«
    »Darf ich fragen, wer der Herr …?«
    »Der Herr ist mein Bruder Sergej«, versetzte sie kalt. »Sergej besucht mich hin und wieder, und mir ist zu Ohren gekommen, dass Sie seit Neuestem nach ihm fahnden lassen.«
    Sie wechselte mit dem jungen Mann einige Worte auf Russisch. Er nickte, und seine Miene wurde noch eine Spur gelangweilter.
    »Ihr Bruder fährt einen Maserati?«
    Sie nickte. »Das ist ja wohl kein Verbrechen.«
    »Ich lasse nicht nach Ihrem Bruder fahnden, sondern würde nur gern ein paar Worte mit ihm wechseln.«
    »Es gibt nichts zu besprechen. Sergej hat nichts gesehen. Er hat Gundram nicht gesehen, als er an dem Sonntag kam, und er hat ihn nicht gesehen, als er ging.«
    »Warum besucht Ihr Bruder Sie heimlich, wenn ich fragen darf?«
    Sie hielt meinem Blick unbeirrt stand. »Mein Mann und Sergej verstehen sich nicht so gut. Aber das ist ja wohl unsere Privatangelegenheit.«
    »Selbstverständlich ist es das. Und bitte glauben Sie mir, ich wünschte wirklich, ich könnte mehr tun, um Ihnen Ihr Kind zurückzubringen. Aber wir können leider Gottes nicht zaubern.«
    Bei ihrem starren Blick wurde mir bewusst, wie sehr diese Frau mich hasste. Ihre über Wochen aufgestaute Verzweiflung, all die Sorgen um ihren kleinen Jungen projizierte sie auf mich. Der Täter war

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