Alibi in High Heels (German Edition)
Ann gerade an ungefähr fünfzehn Millionen andere Dinge zu denken und zweifelte nicht an meiner Aufrichtigkeit. »Moment«, sagte sie, und ich hörte, wie sie mit ihrem Telefon hantierte. »Okay, da ist sie.« Sie begann mir die Straße vorzulesen. Hastig zeigte ich Dana an, dass ich einen Stift benötigte, woraufhin sie einen aus ihrer Handtasche zutage förderte und ich die Adresse in meine Handinnenseite schrieb.
»Danke, Ann!«
»Keine Ursache. Ach, und vergessen Sie nicht, dass Jean Luc Sie morgen früh zur letzten Anprobe erwartet.«
Die letzte Anprobe. Mein Magen krampfte sich zusammen, als mir bewusst wurde, dass die Show in weniger als achtundvierzig Stunden stattfinden sollte. Wenn ich Moreau bis dahin nicht von meiner Unschuld überzeugt hatte, konnte ich mein großes Debüt auf der Fashion Week in den Wind schreiben.
Doch ich wischte den Gedanken beiseite und versicherte Ann, ich würde pünktlich erscheinen. Dann legte ich auf.
In Anbetracht der Tatsache, dass bald der Berufsverkehr in Mailand begann, brauchten wir nur wenige Minuten, um ein Taxi zum Anhalten zu bewegen – was letztendlich jedoch nur durch die freundliche Unterstützung eines Herrn im Nadelstreifenanzugs gelang, der Dana zum Abschied nicht weniger als drei Küsschen auf jede Wange gab. Ich las dem Fahrer die Adresse vor, die Ann mir gegeben hatte. Der nickte und sagte, er würde diesen Teil der Stadt gut kennen.
Während wir uns zentimeterweise durch die belebten Straßen vorwärtsbewegten, konnte ich dabei zusehen, wie die Sonne hinter den wunderschönen alten Gebäuden unterging. Als wir endlich vor dem Haus, in dem Donata wohnte, hielten, erstrahlte der Himmel in Mattrosa und Orange. Das perfekte Postkartenmotiv. Als ich einen Moment auf dem Bürgersteig stehen blieb, um den Anblick in mich aufzunehmen, fiel mir ein, dass ich drei europäische Länder in ebenso vielen Tagen besucht hatte, ohne ein einziges Foto zu machen. Gut, ich war nicht gerade als Touristin hier, aber ich nahm mir doch vor, am nächsten Flughafen eine Einwegkamera zu kaufen. So deprimierend der Grund für unsere Anwesenheit auch war, der Schönheit dieser Stadt konnte man sich nicht entziehen.
Und Donatas Haus machte da keine Ausnahme. Anders als das Gebäude, in dem sich die Agentur befand, war dieses hier ein Beispiel klassischer italienischer Architektur: ein hoher, schmaler Bau mit detailreichen, jahrhundertealten Stuckarbeiten, der von der Straße durch einen verschnörkelten gusseisernen Zaun getrennt wurde. Als unser Taxi davonfuhr, stiegen wir die Steinstufen zu einer mit kunstvollen Schnitzereien verzierten Holztür hoch und klopften.
Doch niemand öffnete. Stattdessen schwang die Tür von ganz alleine auf.
Dana und ich sahen uns an. Wir hatten beide genug Horrorfilme gesehen, um zu wissen, dass eine Blondine nicht unbewaffnet ein Haus betreten sollte, dessen Tür von ganz alleine aufschwang.
»Hallo?«, rief ich und spähte in den Vorraum. Marmorboden, antike Kommode, eine hohe, geschwungene Treppe. Keine Spur von Donata.
»Vielleicht ist sie oben«, flüsterte Dana.
»Vielleicht ist sie gar nicht hier.«
»Vielleicht sollten wir ein anderes Mal wiederkommen.«
Und wenn Ann mir nicht gerade in Erinnerung gerufen hätte, dass die Uhr für meine Karriere tickte, wäre ich wohl mit ihr einer Meinung gewesen. Doch so ignorierte ich alle Warnzeichen und betrat das Haus. Meine Krücken quietschten laut auf dem Marmorboden. »Miss Girardi?«, rief ich. »Donata?«
»Maddie.« Dana packte meinen Arm. Sie zeigte auf eine Tür zu unserer Rechten. Daneben stand ein Glas Rotwein auf einem Tischchen, als hätte es jemand dort in Eile abgestellt.
»Miss Girardi?«, rief ich noch einmal und spähte in das Zimmer, Dana dicht hinter mir.
Bei dem Anblick, der sich uns bot, schnappten wir beide gleichzeitig nach Luft. Und ausnahmsweise war ich einmal froh um meine Krücken, denn sonst wäre ich jetzt wohl sicher wie ein Sack Kartoffeln zu Boden geplumpst.
In der Mitte des perfekt dekorierten Raumes voller unbezahlbarer Antiquitäten lag Donata Girardi auf einem persischen Teppich und starrte aus leblosen Augen zur Decke.
Und in ihrem Hals steckte ein dünner schwarzer Stiletto-Absatz.
14
Das Zimmer schwankte, mein Magen krampfte sich zusammen, und meine Lunge hatte plötzlich Mühe, sich mit Luft zu füllen.
»Oh mein Gott«, sagte Dana, die neben mir stand. Alle Farbe war aus ihrem Gesicht gewichen. »Ist sie … ?«
Ich blickte auf den Pumps,
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