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Alice Bhattis Himmelfahrt - Hanif, M: Alice Bhattis Himmelfahrt

Alice Bhattis Himmelfahrt - Hanif, M: Alice Bhattis Himmelfahrt

Titel: Alice Bhattis Himmelfahrt - Hanif, M: Alice Bhattis Himmelfahrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mohammed Hanif
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nein, sie missbrauchen die Religion. Ich werde dafür sorgen, dass diese Leute entlarvt werden.“ Ortho Sir stapfte hinaus. Noor saß da und überlegte, warum Alice, falls sie wirklich geheiratet hatte oder konvertiert war oder geheiratet hatte und konvertiert war, dies zu verbergen suchte. Sie war ja nicht gerade von einem Heer liebeskranker Freier umlagert, die sie hätte beleidigen können. Am Ende schrieb er die Gerüchte den Schießübungen auf dem Gelände des Herz Jesu zu. So etwas konnte manchmal intimer erscheinen, als es wirklich war.
    Jetzt aber tanzt sie herein wie aus einer Shampoo-Reklame und bringt den Duft ihrer jungen Ehe sowie einen Hauch von Optimismus mit, wie man ihn im Krankenhaus zuletzt vor drei Jahrzehnten erlebt hat, als der erste Farbfernseher eintraf. Dort steht sie, umarmt ihn und verkündet, dass sie geheiratet hat. Noor fragt nicht, wen und warum, ihn interessiert mehr das Wo. Er hat gehört, sie habe auf einem Atom-U-Boot geheiratet.
    Pakistan besitzt keine Atom-U-Boote. Das weiß Noor aus der Zeitung. „Bist du sicher, dass du auf einem Atom-U-Boot geheiratet hast? Das würden die doch niemandem erlauben, der kein Muslim ist. Höchstens, wenn einer dort arbeitet und einen richtigen Ausweis und eine Uniform hat.“
    Alice ist zu beschäftigt damit, Botschaften auf die Schachteln zu schreiben, um richtig zuzuhören. „Ja, wir haben auf einem Boot geheiratet. Stimmt. Das sollte jeder tun.“
    „Bist du sicher, dass es kein indisches U-Boot war? Die Inder haben Atom-U-Boote. Und wenn du auf einem von denen geheiratet hast, ist die Ehe hier bestimmt ungültig. Ich finde es in Ordnung, Junior Mr. Faisalabad zu heiraten, ist ja deine Entscheidung, aber religiöse Mischehen haben ihre Probleme, ich meine, die Kinder wachsen auf, ohne zu wissen, wohin sie gehören, aber an sich habe ich nichts dagegen.“ Noor bemüht sich, die Bilder aus seinem Geist zu vertreiben, auf denen Alice in einem roten Kleid an Deck einer weißen Yacht liegt und den Kopf in Teddys Schoß gebettet hat, während dieser mit ihrem Haar spielt. „Ich frage mich nur, ob die Ehe rechtsgültig ist. Denn ich weiß nicht, welchem Gesetz sie unterliegt – ich weiß nicht, wie man das korrekt ausdrückt –, wenn man Junior Mr. Faisalabad in internationalen Gewässern auf einem U-Boot heiratet, das sich im Besitz eines anderen Staates befindet. An Land wäre das ziemlich einfach.“
    „Willst du mir nun gratulieren oder mir einen Vortrag über Seerecht halten?“, fragt Alice. „Zuerst sagt mir Schwester Hina Alvi, die Ehe sei eine Art unheilbare Krankheit, und dann kommst du mit diesem Zeug.“
    Noor unterbricht seine weitschweifigen Überlegungen und konzentriert sich auf die kleine Plastiktüte, die sie so vorsichtig hält, als berge sie das Geheimnis ihrer glücklichen jungen Ehe. Darin befindet sich ein kleines braunes Buch, eingewickelt in durchsichtige Folie, und eine Handvoll mit billiger roter Farbe getränkter Reis.
    „Das habe ich gefunden, als ich an der Bushaltestelle gewartet habe.“ Sie zieht das Buch mit einer Behutsamkeit aus der Tüte, mit der sie allenfalls Verbände von Mehrfachbrüchen löst. „Hausmittel gegen Krebs“ – der Titel ist von Hand geschrieben. Innen steht auf billigstem Zeitungspapier ein ziemlich wirres Gestammel, das gerade noch als Urdu durchgehen kann, ohne mit einer heiligen Schrift verwechselt zu werden.
    Noor zählt drei Zweizeiler im ersten Kapitel, zwei auf Urdu, einen auf Panjabi. Der erste lobt Allah, der zweite erinnert die Leser daran, dass sie alle dem Verfall anheimgegeben sind und Würmer ihre Eingeweide fressen werden, und der dritte preist eine Vielzahl von Kräutern, die Er erschaffen hat.
    „Sollen wir hier sitzen und Gedichte aufsagen? Zainab hat sich nie für Dichtung interessiert. Sie weiß nicht einmal, was das ist.“ Noor blickt auf Zainab, die seit sechsunddreißig Stunden schläft und nur einmal aufgewacht ist, um an einer Orange zu saugen. Er hat sechsunddreißig Stunden nicht geschlafen. Er fühlt sich fiebrig, wie sich ein Siebzehnjähriger, der am Sterbebett der Mutter ständig seine unzeitigen Anfälle von Lust unterdrücken muss, eben fühlt. Nicht daran denken, wie Alice ihr rotes Kleid auszieht. Und wenn die Hochzeit wirklich auf einem Schiff stattgefunden hat, hat sie dann einen weißen Matrosenanzug getragen? Überhaupt nicht an Alice Bhattis Kleidung denken. Dies gelingt ihm, indem er sich Teddys straffen, glitschigen, nach Senföl

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