Alice Bhattis Himmelfahrt - Hanif, M: Alice Bhattis Himmelfahrt
„Was stehst du da rum? Glaubst du, du bist im Zirkus? Denkst du, ich will dein dämliches Gesicht noch sehen?“
Für den Rest ihrer Zeit an der Schwesternschule miedsie linksgerichtete Ärzte und jegliche Penetration.
Sie hat nie mit Teddy über Kinder gesprochen und weiß jetzt auch warum. Denn dann hätten sie über Namen diskutieren müssen und darüber, wie und nach welcher Religion das Kind erzogen werden sollte. Sollte es beschnitten werden oder getauft, oder zuerst beschnitten und dann getauft? Wäre es einfacher, wenn es ein Mädchen wäre? Ihr würde es nichts ausmachen, sich für einen neutralen Namen zu entscheiden, statt für Joseph oder Judith. Ein Name, der ihnen beiden passte, etwas Unverfängliches wie Salamat oder Salim vielleicht. Aber wer gibt schon seinem Erstgeborenen einen neutralen Namen? Gefallen ihr Salamat und Salim überhaupt? Die Namen erinnern sie an die Leute in French Colony, die ihre Kinder so nennen, weil sie hoffen, dass sie damit als Muslas durchgehen. Als gäbe es nicht schon genug Muslas, die Salim oder Salamat heißen und genauso bettelarm sind wie die ärmsten Churas.
Und es würde wie ein Zugeständnis wirken. Sollte ein Baby nicht ein Segen sein und nicht nur ein halb garer Kompromiss? Was soll das für ein Leben sein, das mit einem Kompromiss beginnt?
Ein Leben wie ihres.
Nach einer Weile beruhigt sich ihr Magen, und sie bekommt Appetit auf ein Omelett. Sie hat so viele schwangere Frauen erlebt, dass widersprüchliche Gelüste sie nicht überraschen. Die Vorstellung von dem Baby in ihrem Bauch lässt eine ungekannte Sehnsucht in ihr aufsteigen. Aber der Gedanke, diesem Kind einen Namen zu geben und es in Teddys Welt großzuziehen, erfüllt sie mit Grauen. Und dann mit einer seltsamen Ahnung. Sie versucht, sie zu unterdrücken, sagt sich, es seien ihre Hormone, die verrückt spielen, aber der Gedanke will nicht weichen. Sie spürt, dass sie das Baby will, aber nicht seinen Vater. Und der einzige Weg, das Baby zu behalten, ist, seinem Vater zu entkommen.
Vielleicht kann sie mit Klein Yasu und ihrem eigenen Kind im Schwesternwohnheim unterkommen. Die Zimmer dort sind allerdings winzig und rattenverseucht. Ihr Haus in French Colony? Vielleicht kann sie Joseph Bhatti dazu bringen, auf die Kleinen aufzupassen, wenn sie zur Arbeit geht. Sie sieht Joseph Bhatti mit zwei Babys im Arm. Einen Moment lang hat sie vergessen, wie sehr sie sich bemüht hat, von dort fortzukommen. Lebte sie noch in French Colony, sie hätte sie nennen können, wie sie wollte, glaubt sie.
Am vierten Tag stürmt Babys Vater in die Wohnung, als Alice ihre Tasche schon halb gepackt, so etwas wie einen Plan geschmiedet und ihr ganzes Geld gezählt hat. Teddy marschiert schnurstracks auf seinen Schrank zu, und ihr wird klar, dass er nur gekommen ist, um sich umzuziehen, nicht, weil er sich auf seine Frau besonnen hat oder um die Nachricht von seiner bevorstehenden Vaterschaft zu empfangen. Er wühlt derart verzweifelt im Schrank, als hinge sein Leben davon ab, ob er das richtige Hemd findet.
„Ich habe eine Spur zu dem Zielobjekt, das wir verloren haben“, sagt er, während er weiter seine Garderobe durchsucht.
„Was habt ihr verloren?“, fragt Alice mit einem Blick auf ihre halb gepackte Tasche.
„Wir haben ein wertvolles Zielobjekt verloren. Wir hatten ihn, dann haben wir ihn verloren. Eigentlich habe ich ihn verloren“, sagt Teddy, als er endlich das lebensrettende, fahlgrüne Seidenhemd entdeckt hat, dessen Farbe Alice immer an dampfende Pferdekacke erinnert. Er zieht sein T-Shirt aus und setzt sich, um seine Turnschuhe aufzubinden. Alice schiebt ihre Tasche verstohlen mit dem Zeh unter das Bett. Sie ist selbst erstaunt über das, was sie gerade getan hat. Dann wird ihr klar, dass es nicht die Tasche ist, die sie zu verbergen sucht, sondern ihr Zorn. Sie will ihn nicht fragen, wo er gewesen ist. Wie soll sie ein Kind mit einem Mann aufziehen, dem man nicht einmal eine so einfache Frage stellen kann?
„Du hast ein wertvolles ‚Objekt‘ verloren? Das klingt nach Lotterie oder Glücksspiel. Haben deine Freunde jetzt eine Spielhölle eröffnet?“
„Ein Gefangener ist uns entflohen. Ein sehr gefährlicher Mann. Eigentlich ein Junge, aber ein äußerst gefährlicher Junge. Ich muss ihn finden oder ich habe verschissen. Aber jetzt habe ich eine Spur.“ Er beginnt das Grünseidene aufzuknöpfen. „Ich muss mit dem Polizeipräsidenten sprechen. Vielleicht setzt er eine Art Belohnung für
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