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Alice Bhattis Himmelfahrt - Hanif, M: Alice Bhattis Himmelfahrt

Alice Bhattis Himmelfahrt - Hanif, M: Alice Bhattis Himmelfahrt

Titel: Alice Bhattis Himmelfahrt - Hanif, M: Alice Bhattis Himmelfahrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mohammed Hanif
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selbst ist eine abgefallene Soldatin Yasus, aber noch immer katholisch und Aushilfsschwester. Auch wenn die katholische Kirche eine Anzahl von ans Heidentum grenzenden Gewohnheiten übernommen hat, wie die einheimische Sitte, bei jeder Erwähnung von etwas Heiligem Räucherstäbchen zu entzünden oder jedes Stück Marmor mit dem Namen eines Heiligen mit Girlanden aus Ringelblumen zu bedecken, so hat sie allerdings niemals einem weiblichen Mitglied ihrer Glaubensgemeinschaft andere Aufgaben zugestanden, als Schalen mit Weihwasser zu tragen, Tote zu waschen oder einheimische Gerichte für klerikale Besucher zuzubereiten. Goanesisches Garnelencurry für ausländische Bischöfe oder Alu Gosht für gewöhnliche Priester aus dem Panjab. Die katholische Kirche erfährt von den Gerüchten, ignoriert sie jedoch, wie sie seit Jahrzehnten Joseph Bhattis wundersame Heilungen von Magengeschwüren ignoriert.
    Alice Bhatti ist jetzt so beschäftigt, dass sie manchmal das Kind vergisst, das sie angeblich gerettet hat. Niemand erscheint, um den Leichnam der Mutter abzuholen, und er wird, wie es üblich ist, nach sieben Tagen in aller Stille bestattet. Alice Bhatti lebt aus ihrer Tasche. Mitunter kommtes ihr vor, als würden die siebentausend Patienten in den Krankenzimmern, die Hundertschaften, die durch die Flure kriechen, und die weiteren Tausend, die sich auf dem Gelände aufhalten und ihre Köpfe auf Ziegelsteine betten, sich schon durch die bloße Nähe der Operationssäle, Labore und Medikamentenausgaben besser fühlen. In Wahrheit werden jedoch die meisten von der Bhatti-Heilung angelockt. Siehaben gehört, dass tote Kinder wieder zum Leben erweckt wurden und Krebskranke, bei denen keine Hoffnung mehr bestand, auf ihren eigenen zwei Beinen nach Hause gingen. Sie sind gekommen, um Alice um ihre Fürsprache zu bitten. Es bilden sich lange Schlangen, wenn sie Schicht hat.
    Alice Bhatti weiß, dass die anderen sogenannten Wunderheilungen nach dem verrückten Vorfall mit dem Baby allein ein Ergebnis nicht buchstabengetreuer Anwendungen aus dem Schwesternhandbuch sind, bisweilen mit einem Schuss Improvisation und Inspiration gewürzt, mal eine halbe Prozac mehr, mal ein von einem anderen Rezept getilgtes Antibiotikum. Die meisten Erfolge verdanken sich jedoch einer großzügigen Portion Desinfektionsmittel, ständig kochendem Wasser für Spritzen und Nadeln in der ganzen Klinik, frischer Watte und Gaze und Chlorbleiche für die Waschbecken und Toiletten. Nicht dass dies ihre Kollegen gekümmert hätte. Anfangs waren sie einfach froh, wenigstens etwas positive Presse zu erhalten, und statteten sie großzügig mit allen industriellen Chemikalien aus, die sie wollte.
    „Was für ein Wunder?“ Zuerst wurde gelacht, als immer mehr Leute auftauchten. „Jemand ist diesem Krankenhaus lebendig entronnen? Ja, das ist wirklich ein Wunder.“
    Schwester Hina Alvi kommt mit einer neuen Hilfsschwester herein, die das Kind im Arm trägt, das alle noch immer „das tote Baby“ nennen. Es ist in eine rosa Decke gehüllt, sein Kopf ist rasiert und seine Bäckchen werden allmählich runder. „Na, wie geht es denn unserer kleinen Gottesheilerin?“ Hina Alvi ist die Einzige, die völlig unbeeindruckt ist. „Hoffentlich glaubst du diesen ganzen Unsinn nicht auf einmal selbst.“
    Alice nimmt der Schwester das Baby ab, um es in ihren Armen zu schaukeln. „Die Leute können glauben, was sie wollen. Ich mache nur meine Arbeit.“
    Alice will bescheiden klingen, dennoch wirkt ihre Aussage großspurig.
    „Wenn sie sagen, es sei ein Wunder, können wir ihnen wahrscheinlich nicht reinreden. Ich weiß nicht, wohin das alles noch führen soll“, sagt Hina Alvi. „Als Kind hat man mich gelehrt, Gott sei in allem. Mir erschien diese Idee so einfach, dass sogar ich sie begreifen konnte. Jetzt, wo ich alt werde, soll ich Gott im Gemüse sehen, und zwar buchstäblich. In den vergangenen fünf Jahren ist jedes Jahr irgendwo eine Aubergine aufgetaucht, in der innen das Wort Allah stand. Ich bin sicher, man müsste sie nur andersherum aufschneiden, um das Gesicht seines Ehemanns darin zu sehen, und vielleicht kann man auch, wenn man sie auf den Kopf stellt, eine Schweinerei darin lesen. Immer wieder gibt es Wolken, die Muhammad an den Himmel schreiben. Manche Leute sehen in jeder saisonalen Frucht Yasu am Kreuz oder seine Mutter in einem hübschen Kleid. Wozu braucht die Menschheit solche Beweise? Erinnern uns nicht ständig Flutwellen, Erdbeben oder Unfälle,

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