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Alice Bhattis Himmelfahrt - Hanif, M: Alice Bhattis Himmelfahrt

Alice Bhattis Himmelfahrt - Hanif, M: Alice Bhattis Himmelfahrt

Titel: Alice Bhattis Himmelfahrt - Hanif, M: Alice Bhattis Himmelfahrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mohammed Hanif
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Besteck, jeder eine weiße, gestärkte Serviette auf dem Schoß. Noor selbst sitzt im weißen Kittel und mit einer Operationshaube am Kopf der Tafel und zerteilt ein Brathähnchen von der Größe eines kleinen Schafs. Die wichtigen Männer sprechen über wichtige Dinge. Obwohl Noor nur wenige Worte wie „Einsatzauftrag“, „Ermittlung“ und „ganzheitlich“ versteht, weil sie Englisch sprechen, weiß er, dass es um etwas Wichtiges geht.
    Ein Stiefel trifft Noor in die Rippen, und er schaut zuerst den Mann an, der zu seiner Rechten sitzt, dann den zur Linken, als hätte er von Herren ihres Schlags keine derart üblen Tischmanieren erwartet. Als er die Augen aufschlägt, sieht er drei Pistolen auf einem Esswagen und die vierte, ein kleines, schwarzes, stumpfnasiges Ding, in Teddys Hand. Teddy hält die Waffe nicht am Griff, sondern auf seiner Handfläche, wie sie es in diesen futuristischen Filmen tun, in denen die Patronen um die Ecke fliegen können.
    „Wo ist sie?“, flüstert Teddy schrill. Er bohrt seinen Stiefel noch immer in Noors Seite, als verberge sich die Antwort auf seine Frage in dessen Brustkorb. Noor ist an unzeitige Besuche von Teddy gewöhnt, meist fragt er nach Medikamenten, die schon jahrelang verboten sind, aber um diese nächtliche Stunde ist er noch nie aufgetaucht, nicht mit vier Pistolen und nicht, wenn Zainab fest schläft. Noor reibt sich die Augen, unterdrückt ein Gähnen und folgert, dass Teddy um zwei Uhr morgens nicht vorbeischaut, um einen gemütlichen Plausch zu halten. Zainabs Atem rasselt im Hintergrund, ein Bummelzug, der vor sich hinzuckelt, anfährt, anhält, keinem Fahrplan unterworfen. Draußen zirpen die Geschöpfe der Nacht. Nummer 44 stöhnt, andere Patienten husten und schimpfen im Schlaf. Ein Chor der Verdammten. Noor bemerkt, dass Teddy den Vorhang um Zainabs Bett sorgfältig zugezogen hat und sie sich in einem eigenen privaten kleinen Raum befinden.
    In derselben Nacht, nur etwas früher, wachte auch Teddy nach einem Traum auf. Er war nach einer fünftägigen Reise ins Landesinnere nach Hause gekommen. Nicht-Abu-Zar hatte er nicht gefunden. Eine Weile wartete er auf Alice. Er stand am Fenster und dachte, es wäre eine hübsche Überraschung für sie, wenn sie von der Arbeit nach Hause kam, ihn dort vorzufinden. Er schlenderte in die Küche und räumte ein bisschen herum. Im Kühlschrank war nichts zu essen. Er überlegte, ob er einkaufen gehen und etwas für sie kochen sollte. Aber dann war er vielleicht gar nicht zu Hause, wenn sie kam, und es gäbe keine Überraschung, also beschloss er zu bleiben.
    Er ging ins Schlafzimmer und merkte, dass ihre Schranktür halb offen stand. Er sah hinein. Der Schrank war leer bis auf ein dunkelblaues Seidennachthemd, das sie im Bett trug. Er riss die Schubladen auf und fand nichts, keine Strümpfe, keine Slips. Er öffnete seine Schrankseite. Seine Kleidung und die noch übrigen Plakate von Nicht-Abu-Zar waren unberührt. Noch einmal sah er in ihrer Schrankhälfte nach. Das blaue Nachthemd war das einzige Indiz dafür, dass er je eine Frau besessen hatte. In der untersten Schublade fand er ein zusammengerolltes Poster. Er nahm es heraus und rollte es auf. Es war ein Bild von Jesus Christus. Panik überfiel ihn, als hätte jemand ohne sein Wissen einen Heroinvorrat in seiner Wohnung versteckt. Er betrachtete sein langes Haar, die rosa umrandeten Augen, die leicht geöffneten Lippen, den Heiligenschein, der in den Farben des Regenbogens sein Haupt umgab. Teddy ging in die Küche und trank ein Glas Wasser, dann schob er das Poster unter sein Kissen, legte sich aufs Bett und hoffte, seine Nerven würden sich beruhigen. Warum hatte sie ihre ganzen Sachen mitgenommen? Wohin war sie gegangen? Ein Ort, an dem er nach ihr suchen konnte, war das Herz Jesu. Der einzige Mensch, dener nach ihr fragen konnte, war ihr Schoßhündchen, dieser Noor. Aber warum war sie gegangen? Und warum hatte sie ein Poster ihres Propheten zurückgelassen?
    Teddy schlief ein und träumte von einer vom Regen überfluteten Straße. Die Gullys blubberten, und ein Mann, der aussah wie Jesus Christus, fuhr auf einem Fahrrad durch das knietiefe Wasser und zog eine sieben Meter lange Bambusstange auf dem Gepäckträger hinter sich her. Der Mann stieg ab, nahm die Stange, beugte sich über einen verstopften Abfluss und stocherte darin, um ihn frei zu bekommen. Ein paar Kinder rannten vorbei, bespritzten ihn mit Wasser und höhnten: „Yasu-Chura, Yasu-Chura!“ Der

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