Alice Bhattis Himmelfahrt - Hanif, M: Alice Bhattis Himmelfahrt
bei denen ein Kind ein anderes überfährt, an die Existenz Gottes?“
Alice Bhatti betrachtet das Baby, ohne Hina Alvis Tirade sonderlich zu beachten. „Was wird denn so geredet?“, fragt sie Hina Alvi, denn sie ist nicht auf dem Laufenden, was in der Außenwelt vor sich geht. Sie hat Leuten erlaubt, ihr die Hände zu küssen, aber nicht zugelassen, dass sie ihre Füße berührten.
„Viel dummes Zeug. Dass du, liebe Schwester Alice, mitten in der Nacht am Bett von Kranken erscheinst, selbst
wenn du gar keinen Dienst hast, ja nicht einmal im Krankenhaus bist, sondern wahrscheinlich in deinem Bett tief schläfst. Und wenn du Dienst hast, verschwinden Bettpfannen und tauchen anschließend gesäubert und poliert wieder auf. Infusionen stellen sich von alleine ein, und Fremde spenden freiwillig und kostenlos A negatives Blut. Außerdem will Dr. Pereira seine alte Band wiederbeleben, um Gospelmusik zu machen. Alles, was ich dazu zu sagen habe, ist: Hör auf mit den Wundern und kümmere dich um deine tägliche Arbeit. Diese Wunderkiste ist rein saisonal. Du kennst doch diese Eisverkäufer, die im Juli kommen? Hast du sie schon jemals in einem anderen Monat gesehen?“
Alice Bhatti sehnt sich tatsächlich danach, wieder zu ihrem alten, langweiligen Dienst zurückzukehren. Denn inzwischen gibt es Patienten, die an einem Tag geheilt werden und am nächsten mit einem neuen Leiden wiederkommen. Ihre Wunder erweisen sich bereits als Fluch. Es ergeht ihr wie einem Propheten, der Tote zum Leben erweckt und diese sich dann bei ihm beschweren, weil sie ihr altes Leben fortführen müssen. Es geht ihr wie damals in der Besserungsanstalt, wo sie viel Zeit investiert hatte, um ihre Mitinsassinnen mit Aspirin, langen Gesprächen über die Wunder der Anatomie und Arztwitzen von ihrer Einsamkeit zu kurieren. Sie kamen stets am nächsten Tag wieder und sahen noch verlorener aus.
„Glaubst du, du tust Gottes Werk?“, fragt Hina Alvi sie. „Zufällig weiß ich, dass es mit Beten und Händeküssen nicht getan ist. Man muss sich die Hände schmutzig machen.“
Das Baby ist eingeschlafen. Fast schwerelos liegt es inihren Armen. Alice Bhatti drückt es an sich.
„Er macht uns krank, und Er heilt. Ich tue nur meine Pflicht.“
„Du hast ja nichts falsch gemacht. Du kannst nichts dafür. Es wird den Leuten schon langweilig werden, dann suchen sie sich einen anderen Messias, jemanden, der sie von ihrem Krebs heilt und dabei gleichzeitig ihr Geld verdoppelt. Ein echtes Wunder wäre es, wenn dieses Kind kein Fraß der Ratten würde.“
„Ich überlege, ob ich ihn zu mir nehmen soll.“ Seit Alice weiß, dass sie schwanger ist, hat sie an Babys gedacht, wenn auch nicht an dieses. Aber jetzt hat sie das Gefühl, das Richtige gesagt zu haben, und es erscheint ihr als das einzig Richtige, was sie tun kann.
„Du willst ihn zu dir nehmen? Zu dir nach Hause? Bist du deshalb drei Tage lang nicht zu Hause gewesen und hast in Noors Bett geschlafen? Hast du überhaupt noch ein Zuhause? Oder hast du deinen Mann irgendwie verschwinden lassen? Das wäre nun wirklich ein Wunder.“
Das Baby bewegt sich im Schlaf und boxt in Zeitlupe mit seinen Fäustchen in die Luft. „Sie wissen doch, wie es die ganze Zeit war. Es ist unmöglich für mich, durch das Tor zu gehen“, sagt Alice.
„Man kann ein Baby nicht einfach mit nach Hause nehmen.“ Hina Alvi wird offiziell und bürokratisch. Alice Bhatti erkennt, dass sie bereits darüber nachgedacht hat. „Du musst einen Antrag stellen, Formulare ausfüllen, und dein Mann muss auch unterschreiben.“
„Könnten Sie ihn nicht für ein paar Tage nehmen? Ich hole ihn dann, wenn das hier alles vorbei ist.“ Alice Bhatti ist sich nicht sicher, ob dies der richtige Augenblick ist, Hina Alvi zu sagen, dass ein Geschwisterchen für das Baby unterwegs ist.
„Ich? Natürlich. Wenn du willst, dass er an Vernachlässigung stirbt. Ich kann seine Windeln wechseln und ihn impfen. Aber ich wüsste nicht, wie ich ihn ernähren sollte. Eigentlich weiß ich nicht einmal, wie ich ihn richtig halten muss. Aber wenn du mitkommst, können wir ihn mit zu mir nehmen.“
sechsundzwanzig
Im Traum sitzt Noor mit wichtigen Männern beim Abendessen, bevor er aufwacht und sich von vier Pistolen und einem äußerst schlecht gelaunten Teddy Butt umringt sieht. Die Männer in seinem Traum tragen Anzüge und jeder ein Attachéköfferchen. Sie treffen in einer Reihe hintereinander ein, nehmen dann Platz und essen mit silbernem
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