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Alice im Netz - das Internet vergisst nie!

Alice im Netz - das Internet vergisst nie!

Titel: Alice im Netz - das Internet vergisst nie! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Szillat
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verbergen. Sie schüttelte bedächtig den Kopf. „Schade, dass dir deine virtuellen Kontakte wichtiger sind als dein kleiner Bruder.“ Sie hatte das ohne jeden Vorwurf in der Stimme gesagt. Dennoch wich die Farbe aus Alice’ Gesicht. „Nein, so ist es gar nicht, ich …“ Sie stockte. „Ich muss nur dringend was erledigen. Dann kümmere ich mich um Robin. Versprochen.“
    Ihre Mutter nickte und deutete ein Lächeln an. „Ich geh dann mal in die Küche und koche uns was“, beschloss sie und zog die Tür wieder hinter sich zu.
    Alice blieb zurück. Der Stein war inzwischen aus ihrer Kehle in den Magen gerutscht und dort zu einem Felsbrocken herangewachsen.
    â€žNa los“, sagte sie nach einer Weile zu sich selbst. „Bring es hinter dich.“
    Sie streckte die rechte Hand aus, umfasste die Maus, lenkte den Cursor auf den Link und klickte dann mit dem Zeigefinger auf die linke Maustaste.
    Es dauerte einen Moment, bis die Seite geladen war. Angespannt blickte Alice auf den Monitor, hin- und hergerissen von ihren eigenen Gedanken.
    Was kommt da auf mich zu? Was werde ich gleich zu sehen bekommen? Warum spüre ich plötzlich so eine Scheißangst in mir?
    Als endlich das Video ablief, war Alice wirklich auf alles gefasst – nur nicht auf das, was sich da direkt vor ihren Augen auf dem Monitor abspielte.
    Ein Zimmer. Leicht erhellt vom Schein einer kleinen Lampe, die auf einem Schreibtisch stand. Ein PC, ein Stuhl. Auf dem Stuhl, mit dem Rücken zur Kamera, ein dunkelhaariges Mädchen. Lange, schwarze Haare, die wie ein dichter Umhang die schmalen Schultern bedeckten ...
    Meine Schultern. Meine Haare. Mein PC. Mein Stuhl. Mein Schreibtisch. Meine kleine Lampe. – Mein Zimmer
.
    Alice saß an ihrem Schreibtisch und glitt mit ihren Fingern über die Tastatur. Dazwischen umfasste sie ein paar Mal mit der rechten Hand die Maus. Mehr geschah nicht. Aber es reichte aus, um den Felsbrocken in Alice’ Bauch in ein riesiges Gebirge zu verwandeln.
    Ruckartig drehte sie sich zum Fenster um. Panik ergriff sie, als ob sie damit rechnete, dass auch jetzt – in diesem Moment – dort jemand stehen, sie beobachten und filmen könnte.
    Doch da war niemand. Bis auf einen kleinen Vogel, der ihrem Fenster im Vorbeiflug gefährlich nahe kam.
    Von dort aus muss er mich gefilmt haben
.
    Er? Warum bist du dir so sicher, dass ein Er dafür verantwortlich ist?
    Weil er sich Jared nennt!
    Das war der letzte Ruck, den Alice gebraucht hatte. Ein mächtiger Adrenalinstoß durchfuhr sie. Sie sprang auf, wobei sie so heftig gegen den Schreibtisch stieß, dass die Apfelschorleflasche gefährlich ins Schwanken geriet. Dann sprintete sie zur Tür, riss sie auf und stürzte hinaus.

7. Kapitel
    Er beugte sich vor – und dann sah er sie. Rasch wollte er wieder hinter der Hausecke verschwinden, damit sie ihn nicht bemerkte. Doch sie blickte nicht in seine Richtung, und so verharrte er in seiner Position.
    Obwohl sie sich von ihm abgewandt hatte, erkannte er, wie schön sie war. Dazu brauchte er ihr noch nicht einmal ins Gesicht zu schauen – er konnte ihre Schönheit spüren. Sie war tief in ihm. In seiner Seele.
    Sie rannte über die Straße, als würde sie gehetzt. Jetzt bemerkte er, dass sie keine Schuhe an den Füßen trug.
    Rote Socken, wahrscheinlich ihre Kuschelsocken, die sie schon so oft erwähnt hatte. In jedem ihrer Internetprofile konnte man etwas über ihre geliebten Kuschelsocken erfahren, die ihre Oma Gertrud selbst strickte und ihr jedes Jahr zu Weihnachten aufs Neue schenkte, seit sie ein winzigkleines Baby war.
    Ein warmer Schauer überlief ihn, als er sie sich als kleines Baby vorstellte. Viel Fantasie erforderte das freilich nicht. Es gab ein paar ganz entzückende Babyfotos von ihr im Internet. Sie selbst hatte sie dort eingestellt.
    Natürlich hatte sie auch verraten, wann sie ihre roten Wollsocken trug. Nämlich immer, wenn sie es sich gemütlich machen wollte.
    Aber warum rannte sie nun damit quer über die Straße?
    Er holte tief Luft, sein Herz klopfte zum Zerspringen. Er spürte, dass etwas nicht stimmte. Sie war besorgt. Verzweifelt. Warum? Wovor rannte sie weg?
    Er presste die Zähne zusammen, weil er befürchtete, dass er ihr sonst etwas zurufen könnte. Nein, er musste einen kühlen Kopf bewahren. Ruhig bleiben, seine Gefühle unter Kontrolle bringen. Er ballte die

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